Ist es irgendwo besonders unordentlich, kommentiert man das Chaos häufig mit „Hier sieht es aus wie bei Hempels unterm Sofa!“ Woher kommt diese Redensart?
Wir Deutschen verwenden viele Redewendungen, Sprichwörter und Redensarten, oft ohne ihren Ursprung genau zu kennen. So etwa den Ausspruch „wie bei Hempels unterm Sofa“. Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, was hinter dieser Redensart steckt, mit der besonders chaotische und unordentliche Räume beschrieben werden?
Vermutlich haben Sie es auch schon gesagt, als Sie das Zimmer eines Jugendlichen betreten haben: „Mein Gott, hier sieht es ja aus wie bei Hempels unterm Sofa! Wann räumst du endlich auf?“ Oder Sie selbst hatten schon einmal nicht genügend Zeit, um Ihr Zuhause für den Besuch herzurichten, und erklärten verschämt: „Bitte entschuldige die Unordnung! Ich weiß, hier sieht es echt aus wie bei Hempels unterm Sofa.“
Woher stammt „… wie bei Hempels unterm Sofa“?
Wer sind eigentlich diese Hempels und warum ist es unter ihrem Sofa so unordentlich? Obwohl Hempel als Nachname durchaus existiert, wurde das Wort „Hampel“ oder „Hampelmann“ früher auch scherzhaft zu „Hempel“ umgedeutet. Dieser Ausdruck bezeichnete einfache und unkultivierte Personen. Bereits Martin Luther beschrieb 1528 in einem seiner Werke „grobe Hempel“ als einfältige Trottel.
Ist das aber wirklich der Ursprung der Redensart? Klar ist, dass nichts klar ist. Die Redensart „bei Hempels unterm Sofa“ wurde erst Anfang des 20. Jahrhundert geläufig, also rund 400 Jahre nach Luthers Verwendung des Begriffs „Hempel“. Sprachexperten haben abseits der Verbindung zu „Hampel(-Mann)“ aber noch weitere Theorien zur Herkunft des Ausspruchs.
Unordentliche Zirkusfamilie bei Hagenbecks
Ein Deutungsversuch basiert auf einer überlieferten Geschichte von Lorenz Hagenbeck, dem Sohn des berühmten Carl Hagenbeck. Dieser ist zwar als Gründer des Tierparks in Hamburg und Ausrichter von „Menschenzoos“, den sogenannten „Völkerschauen“, bekannt, betrieb jedoch ab 1887 auch einen Zirkus, mit dem er durchs Land zog. Sein Sohn erzählte, dass Schausteller und Zirkusleute damals wohl keinen sonderlich guten Ruf gehabt hätten, sodass Carl Hagenbeck bei seinen Attraktionen besonders penibel auf Sauberkeit und Ordnung achtete – sowohl vor als auch hinter den Kulissen.
Nur eine Schaustellerfamilie namens Hempel nahm es mit der Reinlichkeit angeblich nicht so genau und warf ihre Abfälle immer unter ihren Wagen. Jedes Mal, wenn der Zirkus weiterzog, sah man am dunklen Dreckfleck, wo die Hempels gestanden hatten, so die Überlieferung. Die Redewendung soll zunächst „wie bei Hempels unterm (Wohn-)Wagen“ gelautet haben. Erst rund 50 Jahre später wurde aus dem Wagen möglicherweise das sprichwörtliche Sofa. Ob diese Anekdote den Ursprung der Redensart darstellt, ist jedoch nicht geklärt.
Wagen, Ziegenstall, Bett oder Sofa?
Im Jahr 1921 wurde erstmals eine Form der Hempels-Redensart schriftlich festgehalten: In einer Zeitschrift über deutsche Mundarten. Dort niedergeschrieben ist die obersächsische Variante „es geht zu wie bei Hempels im Ziegenstall“, die Chaos, Durcheinander und wilde Aufregung beschreiben soll. Eine andere sächsische Zeitschrift erwähnt den Vergleich: „… wie bei Hempels, keene Klinke an der Tiere!“, übersetzt: „… wie bei Hempels, keine Klinke an der Türe!“ Gemeint ist dabei nicht nur Unordnung und Unruhe, sondern auch eine gewisse „Unzivilisiertheit“.
Und das Sofa? Wann sich das Sitzmöbel in die Redewendung eingeschlichen hat, ist ebenfalls nicht bekannt. Zudem gibt es je nach Region und Sprachtradition auch heute noch Variationen. Einige Deutsche sagen etwa „wie bei Hempels hinterm Sofa“ oder „wie bei Hempels unterm Bett“. Letzteres erfuhr Ende der 1980er-Jahre dank Reinhard Mey größere Bekanntheit, als er sein gleichnamiges Lied veröffentlichte. Darin besingt er die spießbürgerliche Familie Hempel, die sich nach außen ordentlich, sauber und tugendhaft gibt:
„Ach wie nett, ach wie adrett!
Aber wie, aber wie, aber wie, aber wie, aber wie
Sieht′s aus bei Hempels unterm Bett?“
In Wahrheit ist die weiße Weste der vermeintlich braven Bürger befleckt: Der Ehemann trinkt, konsumiert „Schmuddelpornos“, denunziert Parksünder und entblößt sich im Park, während die Frau ihren Mann betrügt. All diese schmutzigen Geheimnisse sind unterm Bett der Hempels verborgen, und da Frau Hempel ihren Liebhaber dort des Öfteren versteckt, kennt er sie natürlich.
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