Bodo Ramelow ist nicht nur Ministerpräsident von Thüringen und Linken-Politiker, er ist auch gläubiger Protestant. Ein Gespräch über Verletzung und Vergebung, Sahra Wagenknecht und die AfD.

Er ist schlank geworden. Bodo Ramelow hat zehn Kilo abgenommen. Seit Mitte Januar fastet der Ministerpräsident. Keinen Alkohol, keine feste Nahrung nach Einbruch der Dunkelheit. Ramelow, der als gläubiger Protestant auch schon mal in Kirchen predigt, empfängt in seinem Büro in der Thüringer Landesvertretung in Berlin.

Ramelow ist in der Hauptstadt, auch weil er als Schlichter im Tarifstreit zwischen der Lufthansa und Verdi im Einsatz war. Am Mittwoch gab es nun eine Einigung – Streiks über Ostern sind damit abgewendet. Das freut Ramelow auch aus persönlichen Gründen: Er will mit seiner Frau und Freunden über Ostern in Südtirol wandern.

Kraft tanken – für die anstrengenden Monate danach. Denn im Herbst wird in Thüringen ein neuer Landtag gewählt. Und die AfD ist derzeit stärkste Kraft. Das macht nicht nur eine Regierungsbildung äußerst schwierig, sondern auch den Wahlkampf härter, warnt Ramelow.

t-online: Herr Ramelow, wohin geht es für Sie als Erstes am Wahlsonntag im September: in die Kirche oder ins Wahllokal?

Bodo Ramelow: Um 10 Uhr geht es in den Gottesdienst, dann ins Wahllokal.

Weil der Gottesdienst mir Kraft gibt, auch für die Politik. Ich besuche zum Beispiel im Parlament immer die Andacht und bin dann für die Debatten gut gewappnet.

Vergebung verleiht auch Kraft, heißt es im christlichen Glauben. Können Sie gut verzeihen?

Ja, kann ich. Durch meine Scheidungen habe ich gelernt, dass man sich eingestehen sollte, wo man andere verletzt hat und selbst verletzt wurde. Ob willentlich, wissentlich oder unwissentlich. Nur mit Verzeihen kommt man aus der Streitspirale heraus.

Katja Wolf, die Oberbürgermeisterin von Eisenach, hat die Linke verlassen und tritt nun für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) an. Wie schwer fiel es Ihnen, ihr zu verzeihen?

Ich gebe zu: Das hat mich eine Woche lang hart beschäftigt. Nicht das Gehen, aber die Art und Weise war für mich ein Problem.

Wir hatten am Tag, bevor sie ihren Austritt bekannt gab, noch zusammen einen Termin in Eisenach zu Zukunftsprojekten, für die ich die Schirmherrschaft übernommen habe, und sie hat mir nichts gesagt. Um da aus der Spirale von Ärger und Verletztsein zu kommen, habe ich ihr eine SMS geschrieben, wir haben uns getroffen und intensiv geredet.

Hat Katja Wolf Sie um Verzeihung gebeten?

Über den Inhalt des Gesprächs werde ich natürlich nichts sagen. Aber wir sind seitdem in Kontakt und die Verletztheit ist abgeschlossen.

Wie viele Ihrer Parteikollegen haben Sie neben Katja Wolf in Thüringen schon an Sahra Wagenknecht verloren?

Nicht sonderlich viele, die genaue Zahl kenne ich aber nicht.

In den jüngsten Umfragen ist das BSW allerdings ein großer Wurf: Die Linke hat vier Prozentpunkte verloren, das BSW liegt bei 16 Prozent. Wie sehr schadet Ihnen Wagenknechts Partei?

Ich kämpfe nicht gegen das BSW. Ich kämpfe für die Demokratie, eine starke Linke und gegen die Verharmlosung des Faschismus. Die Bedrohung in Thüringen heißt für mich ganz klar Björn Höcke. Und die AfD ist in Umfragen aktuell wieder unter 30 Prozent. Das stimmt mich froh.

Ist das für Ihre Partei mit Blick auf den Landtagswahlkampf strukturell verkraftbar?

Wir haben in Thüringen einen stabilen Linken-Landesverband. Trotzdem wünschte ich, diesen Bruch hätte es nicht gegeben. Sahra Wagenknecht hat mit Verweis auf persönliche Verletzungen eine eigene Partei gegründet, aber, was ich jetzt wahrnehme, dreht die sich nur um sie selbst. Das erscheint mir weder inhaltlich noch personell ein großer Wurf.

Video | Wagenknecht gibt Ampel die Schuld am AfD-Erfolg

Quelle: reuters

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