Der SPD-Politiker Andreas Schwarz war fünf lang Tage in der Ukraine, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Der Haushaltsexperte warnt vor nachlassender Unterstützung in Europa und fordert, die Munitionslieferungen zu beschleunigen.

Reisen in die Ukraine werden angesichts zunehmender russischer Luftangriffe immer gefährlicher. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz hat es trotzdem getan. Vergangene Woche reist er mit den Ampelkollegen Sebastian Schäfer (Grüne) und Karsten Klein (FDP) in das Land, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Das Trio sprach mit Ministern und Militäroffiziellen, besichtigte Gefechtsstände und einen Soldatenfriedhof, und sammelte Erkenntnisse, wie wirksam die deutsche Militärhilfe für die Ukraine ist.

Schwarz gehört zu den wenigen Abgeordneten der SPD, die sich frühzeitig und lautstark für Waffenlieferungen an die Ukraine eingesetzt haben. Nach seiner Rückkehr aus Kiew ist der Sozialdemokrat überzeugter denn je, dass Deutschland weiter an der Seite der Ukraine stehen müsse. Schwarz, der als Berichterstatter für den Verteidigungsetat einen fundierten Überblick über das deutsche Rüstungswesen hat, erzählt, wie er erst einmal schlucken musste, als er vor einem fast leeren Raketenwerfer aus Deutschland stand.

Der Nachschub an Raketen für die deutschen Iris-T-Systeme ist zum zentralen Problem für die Ukraine geworden – das täglich Menschenleben kostet. Deshalb fordert Schwarz nun die Einrichtung einer „Task Force Luftverteidigung“, um die Produktion zu beschleunigen.

t-online: Herr Schwarz, Sie waren mit Ampelkollegen fünf Tage lang in der Ukraine, haben Politiker und Militärs getroffen. Welche Eindrücke nehmen Sie mit?

Andreas Schwarz: Ich war einerseits erschüttert angesichts der Schäden durch den russischen Raketenterror. Andererseits hat mich der Wille vieler Ukrainer, nicht aufzugeben, beeindruckt. Wenn Sie in die Gesichter der Menschen blicken, die entschlossen sind, den Russen trotz hoher Verluste weiterhin zu trotzen, dann macht das etwas mit Ihnen.

Sie haben auch Offiziere des ukrainischen Generalstabs getroffen. Wie zuversichtlich waren die, dass die Front hält?

Was ich öffentlich sagen kann, ist, dass die Lage in der Ukraine sehr angespannt ist. Das US-Hilfspaket ist wichtig, aber kommt spät. Die Front wackelt an vielen Stellen, auch wenn die Ukrainer glauben, dass sie sie stabilisieren können. Aber es geht jetzt wirklich ums Überleben. An neue Offensiven ist vorerst nicht zu denken. Die Russen kämpfen mit einer Übermacht. Wenn die Front bricht, werden die Russen versuchen, die ganze Ukraine einzunehmen. Es besteht kein Zweifel in der Ukraine, dass das weiterhin Putins Ziel ist.

Zweck Ihrer Mission war unter anderem zu überprüfen, wie erfolgreich die Ukraine deutsche Waffen einsetzt. Was haben Sie gelernt?

Die Ukrainer schätzen deutsche Technik enorm. Vor allem das Luftverteidigungssystem Iris-T wird hochgelobt. Ukrainische Soldaten haben mir erzählt, dass sie mit einer Trefferquote von 100 Prozent russische Raketen vom Himmel holen. Umso mehr schmerzt es zu erfahren, dass ihnen das bei vielen Angriffen auch nicht hilft.

Weil sie nicht genügend Raketen haben. Ich war bei einer ukrainischen Iris-T-Einheit, die nur eine Rakete in ihrem Werfer hatte. Normalerweise sollten da aber acht dieser Lenkflugkörper sein. Die Soldaten sitzen also in ihren Abschussfahrzeugen und müssen mit ansehen, wie russische Marschflugkörper ihre Städte verwüsten, obwohl sie es verhindern könnten, wenn sie genug Nachschub hätten. Jeden Tag sterben Menschen und es wird wichtige Infrastruktur zerstört, weil nicht genug Abwehrraketen da sind. Das ist bitter.

Kommt der Hersteller, das deutsche Unternehmen Diehl Defence, nicht mit der Produktion hinterher?

Zur Ehrenrettung von Diehl muss sich sagen: Das Versäumnis liegt woanders. Offenbar gibt es Probleme bei einem norwegischen Zulieferer, der die Raketenmotoren der Lenkflugkörper bisher nicht in der benötigten Menge produziert. Aber man hat mir gesagt, dass sich jetzt eine Lösung abzeichnet.

Hätte man nicht viel früher dafür sorgen müssen?

Iris-T ist ein komplexes Waffensystem, das von vielen Zulieferern abhängt. Man kann nicht einfach zu einer Firma hingehen und sagen: Macht mal schneller. Wir brauchen eine „Taskforce Luftverteidigung“ in Deutschland, bei der alle Fäden zusammenlaufen und die unter Hochdruck alle Akteure an einen Tisch bringt, um die Raketenproduktion zu beschleunigen. Das wäre auch ein Signal an die Industrie, dass jetzt politischer Druck auf dem Kessel ist und die Probleme schnellstmöglich beseitigt werden müssen.

Share.
Exit mobile version