Nachdem im November die Erde gebebt hatte, ist in der Nacht zum Dienstag auf Island ein Vulkan ausgebrochen. Für die umliegende Ortschaft könnte das Folgen haben.
Es war mitten in der Nacht, als auf der isländischen Halbinsel Reykjanes plötzlich die Erde aufriss: Ein Vulkan, nur drei Kilometer von der Gemeinde Grindavík entfernt, war um 22.17 Uhr ausgebrochen. Stunden später, um 4 Uhr am Dienstagmorgen, war die Eruptionsspalte bereits vier Kilometer lang. Das orangefarbene Leuchten der Lava ist seitdem bis in die nahegelegene Hauptstadt Reykjavík zu sehen.
Die Besonderheit bei dem Vulkanausbruch: Es gibt nicht einen einzelnen Berg, aus dem Lava quillt, sondern einen langen Riss im Erdboden. Pro Sekunde treten etwa 100 bis 200 Kubikmeter Lava aus – etwa das Zehnfache von dem, was der Fagradalsfjall bei seiner Eruption 2021 ausspuckte. Für die Region, darunter die 4.000-Einwohner-Gemeinde Grindavík, birgt das große Risiken.
„Dann bahnt sich hier ein etwas größerer Ausbruch an“
„Wenn wir den Ausbruch mit den letzten drei Eruptionen in den vergangenen Jahren vergleichen, dann bahnt sich hier vermutlich ein etwas größerer Ausbruch an“, sagt Joachim Ritter, Geophysiker vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), im Gespräch mit t-online. Das liege daran, dass sich im Untergrund des Vulkans mehr Magma befinde. „Man hat dort einen sogenannten Dyke, eine senkrechte Spalte, die mit Magma gefüllt ist“, erklärt der Experte. Auch die Eruptionsspalte, die sich in der Nacht aufgetan hatte, sei länger.
Island ist die aktivste Vulkanregion Europas. Es ist bereits der vierte Ausbruch in der Region innerhalb von drei Jahren. Schon 2021 und 2022 war der Vulkan Fagradalsfjall ausgebrochen.
Besonders berüchtigt ist Island auch für den sogenannten Laki-Ausbruch im Jahr 1783. Damals dauerte die Eruption fast ein Jahr und die Spalte war circa 20 Kilometer lang. Aufgrund der giftigen Gase und der Aschewolke starben auf Island rund 20 Prozent der Bevölkerung und sogar in Großbritannien und auf dem Kontinent immer noch Zehntausende Menschen. Mit einem so großen Ausbruch ist nach Ansicht des Experten jedoch nicht zu rechnen.
Droht ein „größerer Zyklus von Vulkanausbrüchen“?
Immer wieder kam es vor ein paar Hundert Jahren in der Region zu Vulkanausbrüchen, bevor eine lange Ruhezeit eintrat. „Jetzt sehen wir seit wenigen Jahren wieder eine verstärkte Aktivität, insofern scheint sich da ein größerer Zyklus von Vulkanausbrüchen anzukündigen“, sagt Geophysiker Ritter. Als Ursache sieht er geologische Prozesse. „Wir sitzen auf einer tektonischen Plattengrenze, auf der einen Seite die europäische Platte und auf der anderen Seite die amerikanische Platte“, sagt Ritter. „An solchen Plattengrenzen kann es passieren, dass sich große Magmabecken bilden.“
Video | Darum kommt es zu Vulkanausbrüchen
Quelle: Glomex
Zwar werde auch spekuliert, dass der Klimawandel einen Einfluss auf Vulkanaktivitäten haben kann, etwa durch Gletscher. „Wenn diese abschmelzen, könnte sich der Druck im Erdinneren verändern und dadurch kann der Vulkan möglicherweise eher eruptieren“, so Ritter. Das sei in der Region um Grindavík jedoch nicht der Fall.
Prognosen dafür, wie sich der Ausbruch des Vulkans nun entwickeln könnte, sind laut Ritter jedoch schwierig zu treffen. Es könne sein, dass die Eruption innerhalb von einer Stunde aufhöre und das noch enthaltene Magma in dem Dyke erkalte. „Angesichts der großen Menge an Magma kann es aber auch sein, dass die Eruption noch wochenlang weitergeht“, so der Experte.
Die Eruption könnte zwischendurch auch pausieren und dann weitergehen – oder es könnte aus der Tiefe neues Magma in den Dyke strömen. „Dann könnte der Ausbruch mehrere Monate andauern“, so Ritter. Das aber würde sich zunächst durch kleinere Erdbeben ankündigen.
„Gase des Vulkans könnten zum Problem werden“
Solche Beben kündigten auch den aktuellen Ausbruch an: Im November hatte die Erde tagelang im Minutentakt gebebt, bis zu 800 Erschütterungen am Tag wurden gemessen. Ein unterirdischer Spalt hatte sich auf einer Länge von 15 Kilometern mit Magma gefüllt und ganze Straßenzüge in Grindavík wurden beschädigt. Die „Blaue Lagune“, ein bei Touristen beliebtes Thermalbad, wurde in der Folge geschlossen. Aus dem Hafenstädtchen Grindavík, nur drei Kilometer vom südlichen Ende der Vulkankette entfernt, wurden die 4.000 Einwohner evakuiert.