Auf dem Balkon einer Wohnung am Brüsseler Platz sitzt seit Jahren ein mysteriöser Kapuzenmann. Was hat es damit auf sich? t-online kennt die Antwort.

Bewegungslos verharrt der Mann auf dem Balkon. Ob er jung oder alt ist, kann man nicht sagen, denn er hat sich die Kapuze seines Hoodies übergezogen und komplett zugeschnürt. Die Hände hat er tief in die Taschen seines Pullovers gegraben. Ganz in Grau gekleidet, fügt er sich nahtlos in die Farbe der Hausfassade ein.

Wer am Brüsseler Platz entlang spaziert, dem fällt der Mann sofort auf. Natürlich handelt es sich nicht um einen echten Menschen, sonst würde er seit mehr als zehn Jahren außergewöhnliches Sitzfleisch beweisen. Nein, die gruselige Erscheinung ist eine Installation des amerikanischen Streetart-Künstlers Mark Jenkins. Jenkins hat das Projekt 2013 für das Kölner Kunstfestival „Cityleaks“ realisiert.

Gesichtslose Personen auf der ganzen Welt

„Cityleaks“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kunst in der Öffentlichkeit Raum zu schaffen und sie für alle erfahrbar zu machen. Von 2013 bis 2021 fand das Festival alle zwei Jahre in Köln statt. „Cityleaks“ setzte außerdem Interventionen um, betätigte sich in der Kunstforschung und veröffentlichte mehrere Bücher und Kataloge. Heute bietet die Organisation vor allem Street-Art-Touren an.

Ein Einzelstück ist der für „Cityleaks“ geschaffene Kapuzenmann in Köln nicht. Seit 2006 platziert Mark Jenkins im Rahmen seiner „Embed Series“ gesichtslose Figuren auf der ganzen Welt: unter anderem in seinem Wohnort Washington DC, in Rio de Janeiro, Seoul, London, Rom und Moskau. Mal liegen die Figuren mit dem Kopf nach unten auf dem Boden, mal lehnen sie mit dem Gesicht zur Wand, haben sich in Müllsäcke eingewickelt oder treiben – wie im schwedischen Malmö – in einem Fluss.

Besorgte Passanten riefen die Polizei

Für die Skulpturen fertigte Jenkins Gipshüllen seines Körpers und seiner Künstlerkollegin Sandra Fernandez an. Anschließend füllte er die hohlen Objekte mit Zement und Zeitungspapier. Die daraus entstandenen Rohlinge nutzt er, um hyperrealistische Installationen zu schaffen. Auf der ganzen Welt sorgen diese für überraschte Reaktionen bei Passanten, mehrmals riefen besorgte Menschen die Polizei oder den Notruf.

Jenkins ist fasziniert davon, welche Sogwirkung seine Kunst auslöst. „Ich lasse Menschen gerne ihre Umgebung hinterfragen. Was ist echt und was nicht? In den heutigen Zeiten sind die Menschen so in ihre Handys versunken und ich wollte einfach nur, dass sie aufschauen“, sagte er in einem Interview mit „Reuters“. „Am Anfang habe ich einfach nur die Reaktionen der Menschen gesammelt. Heute geht es bei diesen Skulpturen mehr um Poesie und darum, einen magischen Moment einzufangen.“

In Köln ist eine Figur verschwunden

Dass seine Figuren häufig entfernt oder zerstört werden – Jenkins holt keine Genehmigung für das Aufstellen ein – macht ihm nicht zu schaffen. „Das gehört alles zur Dynamik von Street Art und gefällt mir. Es ist ein soziales Experiment, daher stört es mich nicht, wenn eine Figur verschwindet. Das ist Teil ihres Lebenszyklusses.“

Jenkins‘ Kapuzenmann ruht seit nunmehr zwölf Jahren sicher auf dem Balkon am Brüsseler Platz. Dass er entfernt wird, ist so schnell nicht zu befürchten. Allerdings hat er einen Kompagnon verloren, denn ursprünglich saßen zwei Figuren auf der Brüstung. Was mit der zweiten Skulptur passiert ist, ist unklar. Sowohl der Künstler selbst als auch „Cityleaks“ ließen Anfragen von t-online unbeantwortet. Die verbleibende Figur wird aber sicherlich noch oft für überraschte Reaktionen bei Passanten sorgen.

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