Wir essen uns krank. Welche Lebensmittel besonders gefährlich sind und warum auch die Politik gefragt ist, erklärt der Ernährungsmediziner Matthias Riedl.
Experten schlagen Alarm: Falsche Ernährung ist der Auslöser für eine Vielzahl von Krankheiten. Studien zeigen, dass etwa 80 Prozent der Krankheiten hierzulande durch den westlichen Ernährungsstil verursacht oder verschlimmert werden. Doch was ist gesund und was macht krank?
Der bekannte Ernährungsmediziner Matthias Riedl spricht mit t-online über die größten Ernährungssünden und erklärt, wo der Bundesgesundheitsminister dringend eingreifen müsste.
t-online: Herr Riedl, welches deutsche Gericht ist typisch für die falsche Art der Ernährung hierzulande? Mir fällt da Currywurst mit Pommes ein.
Matthias Riedl: Das ist sicher ein Gericht, das in diese Kategorie fällt. Aber eigentlich sind Fertiggerichte das derzeit größte Problem in unserer Ernährung. Hoch verarbeitete Lebensmittel, die zahlreiche Zusatz- und Konservierungsstoffe, künstliche Aromen enthalten. Und meistens auch viel zu viel Salz. Das gilt auch für die als besonders gesund geltenden veganen und vegetarischen Ersatzprodukte, die neuerdings so im Trend sind.
Dr. Matthias Riedl ist Diabetologe und Internist. Er ist Gründer des des medicum Hamburg, Europas größtem Zentrum für Ernährung und Diabetes. Einem breiten Publikum wurde er vor allem durch seine Teilnahme der NDR-Sendung „Die Ernährungs-Docs“ bekannt.
Die Verarbeitungs- und Haltbarmachungsprozesse sind also das Problem?
Ja. Eigentlich handelt es sich bei den meisten Fertigprodukten um Chemiebomben, die mit Lebensmitteln nicht mehr viel zu tun haben. Zu einem gesunden Leben tragen sie nichts bei. Im Gegenteil: Sie machen uns krank.
Aber sie sind weitverbreitet …
Und das ist erschreckend. In Deutschland ernähren sich die Menschen im Durchschnitt zu 50 Prozent auf der Basis dieser Gerichte. In anderen Ländern ist es noch schlimmer. In den USA machen diese Produkte bereits 60 Prozent der Kalorienaufnahmen aus, bei jungen Menschen sind es sogar noch mehr. In den Vereinigten Staaten sinkt die Lebenserwartung bereits seit einigen Jahren. Für uns in Deutschland gilt jetzt schon: Männer haben hier die kürzeste Lebenserwartung in ganz Westeuropa, Frauen die drittkürzeste.
Sie sagen, besonders fatal sei die Kombination aus Fetten und Kohlenhydraten in diesen Produkten. Warum?
Diese Kombination ist vergleichsweise billig herzustellen, mit sehr billigen Zutaten. Aber sie wirkt im Gehirn wie eine Droge. Deshalb essen die meisten Menschen auch nicht eine Handvoll Chips, sondern gleich die ganze Tüte, obwohl der Kaloriengehalt auf diesen Snacks immer für kleine Portionen ausgewiesen ist. Fatal ist aber auch: Diese Snacks machen nicht lang anhaltend satt. Sie brauchen schnell wieder Nachschub.
Welche Rolle spielen der Salz- und Zuckergehalt in unseren Lebensmitteln?
Eine sehr problematische, denn auch diese Inhaltsstoffe sind billig und leicht verfügbar. Darum ist es lukrativer für die Hersteller, viel Salz und Zucker zu verwenden, statt ausgewogenen Geschmack auf Basis gesunder Würzmittel in die Produkte zu bringen. Da aber schon Kinder immer häufiger mit Nutella und Co. aufwachsen, entwickeln sie gar keinen Geschmackssinn für Feinheiten und empfinden den naturbelassenen Geschmack von Lebensmitteln als nicht attraktiv genug. Sie bevorzugen künstliche, gegenüber Aromen aus unverarbeiteten Lebensmitteln. Zucker ist dabei aus meiner Sicht das größte Problem.
Ein Übermaß an Zucker hat eine verheerende Wirkung auf den Körper. Zucker begünstigt und befeuert Entzündungen und kann gravierende gesundheitliche Folgen haben. Übergewicht und Diabetes können die Folgen sein, um nur zwei zu nennen.
Was müsste dagegen getan werden?
Wir brauchen eine ganz klare Kennzeichnung, wie viel Zucker in einem Produkt steckt. Groß und unübersehbar auf der Verpackung. Das muss auch für Bäckereien gelten.
Sie fordern also eine bessere Kennzeichnungspflicht?
Ja. Denn es ist Aufgabe der Politik, den Verbrauchermarkt zu regeln. Wir stecken in einer akuten Gesundheitskrise. Es muss gehandelt werden. Übrigens fällt das nicht in das Ressort des Landwirtschaftsministers, sondern hier muss sich der Gesundheitsminister kümmern.
Und was ist mit den anderen Zusatzstoffen?
Auch diese müssen gekennzeichnet werden. In den Produkten finden sich schon heute über 3.000 Chemikalien. Wir haben keine Ahnung, wie sich diese auf unsere Darmflora auswirken. Der Verbraucher muss zumindest wissen, was er zu sich nimmt.