Die Sozialdemokraten vollziehen mit dem Bürgergeldbeschluss eine bemerkenswerte Wende. Das zeigt: Die Parteiführung meinte es ernst mit der Erneuerung der SPD.
Es war ein denkwürdiger Augenblick am Donnerstagmorgen, als die Koalitionsspitzen von Union und SPD im Kanzleramt die Eckpunkte ihrer Bürgergeld-Reform vorstellten. Denkwürdig deswegen, weil hier zwei führende Sozialdemokraten eine Sozialreform verkündeten, die im Kern vor allem eines bedeutet: härtere Sanktionen gegen terminsäumige und kooperationsunwillige Leistungsempfänger.
Ob der Moment, als die SPD-Vorsitzende Bärbel Bas das ehemalige Herzensprojekt Bürgergeld mit wenigen Sätzen abräumte, als historisch gelten darf, ist vielleicht zu früh zu beurteilen. Bemerkenswert ist er allemal, denn er symbolisiert eine Kehrtwende der SPD in der Sozialpolitik.
Vorbei scheint die Zeit, als ein SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil 2022 das Bürgergeld einführte und als die „größte Sozialreform der letzten 20 Jahre“ lobte. Vorbei scheint ebenso der Glaubenssatz, dass die SPD ihr „Hartz-IV-Trauma“ überwinden müsse, um wieder zu alter Stärke zu kommen.
Die Sätze von Arbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas dürften noch eine Weile nachhallen: „Wir fördern Arbeit statt Arbeitslosigkeit.“ – „Wir verschärfen die Sanktionen bis an die Grenze dessen, was verfassungsrechtlich zulässig ist.“ – „Arbeitsverweigerer erhalten somit zukünftig keine Leistungen mehr.“
Es sind erstaunliche Worte für eine SPD-Vorsitzende, die dem linken SPD-Flügel zugerechnet wird. Man sah Bas, die auf dem SPD-Parteitag im Juni mit 95 Prozent ins Amt gewählt wurde, die Entschlossenheit an, mit der sie das verkündete. Aber auch die Kraft, die es gekostet haben muss, diese Kehrtwende nicht nur zu vollziehen, sondern auch glaubwürdig vor den Fernsehkameras zu verteidigen. Die Härte und Klarheit ihrer Worte wirkten fast so, als würde sie auch sich selbst damit überzeugen wollen.
Bemerkenswert ist die Bürgergeld-Kehrtwende der SPD auch deswegen, weil gar nicht klar ist, wie wirkungsvoll die Maßnahmen überhaupt sein werden. Schon die Ampelregierung hatte 2024 die Komplettstreichung für Arbeitsverweigerer eingeführt, die dann aber durch ein Verfassungsgerichtsurteil an enge Grenzen geknüpft und in der Praxis selten angeordnet wurde. Ob die Jobcenter durch die neue Regelung tatsächlich schneller und unkomplizierter sanktionieren werden, muss sich erst zeigen.
Auch wird die Reform kaum dazu beitragen, die enormen Kosten fürs Bürgergeld (rund 50 Milliarden Euro) zu drücken. „Der Betrag wird sehr klein sein“, dämpfte Bas am Donnerstag die Erwartungen. Die Bürgergeld-Wende der SPD hat daher vor allem symbolischen und strategischen Charakter: Ein lautstarkes Zeichen, wo die Sozialdemokratie künftig ihr Kernklientel verortet – bei der arbeitenden Bevölkerung, den „Fleißigen, die jeden Tag aufstehen und arbeiten gehen“, wie Klingbeil sagt.













