Bis zu sechs Auftritte am Tag, vom Dorfzelt bis zur Riesen-Arena: Das Pensum kölscher Bands in der Karnevalssession ist einzigartig. So schafft es Brings, den letzten Auftritt wie den ersten aussehen zu lassen.

Um 18.51 Uhr steigen Peter Brings und seine Band-Kollegen nach ihrem Auftritt in Lindlar in ihren Bus. Um 19 Uhr bereits grölen 1.000 kostümierte Frauen in einem Partyzelt in Engelskirchen vor der Bühne mit: „Denn wir sind alles kleine Sünderleeeeeein, nieeeeeemand will heut‘ Nacht alleine sein!“.

In den neun Minuten dazwischen ist einiges passiert: Peter Brings hat aus Versehen die falsche Jacke aus dem Backstage-Bereich in Lindlar mitgenommen – das fällt gerade noch rechtzeitig auf. Udo Deimel, in Personalunion Fahrer, Tontechniker und Tour-Manager der Band, ist mit dem Bus knapp sieben Kilometer über kurvige Landstraßen gebrettert und hat vor dem Zelt in Engelskirchen geparkt. Die Band hat ihre Instrumente gepackt, ist aus dem Bus gesprungen, hat schnell noch ein paar Selfies mit Fans gemacht – in dieser Zeit hat die Technik-Crew alles vorbereitet. Um 19 Uhr ertönt der erste Ton von „Sünderlein“.

Der Mittwochabend, an dem sich all das auf den Dörfern im Kölner Umland abspielt, ist ein stinknormaler Tag im rheinischen Karneval. Es ist grau, mit 14 Grad viel zu mild für Ende Januar, ein „fisseliger“ Sprühregen, wie man es im Rheinland nennt, fällt vom Himmel auf die weißen Partyzelte.

Brings ist seit 14 Uhr unterwegs, der erste Stopp war ein Pressetermin in einer Kneipe, danach ging es von Damensitzung zu Damensitzung. Dieser Name klingt eigentlich zu vornehm für das, was in den Zelten passiert: Tausende Frauen „reißen die Hütte ab“, wie Peter Brings es nennt. Eine Horde Zebras tanzt auf der Bierzeltgarnitur, eine Gruppe gelber „Bibo“-Vögel aus der Sesamstraße liegt sich in den Armen, zwei per Aufschrift auf den grünen T-Shirts selbsternannte „Schnapsdrosseln“ tanzen Discofox zwischen Tupper-Dosen voller mitgebrachter Mettbrötchen und kleinen Tisch-Fässchen Kölsch. Auf Herrensitzungen spielt die Band seit knapp 15 Jahren prinzipiell nicht mehr. „Die jagen nackte Mädchen über die Bühne und saufen nur, darauf haben wir keine Lust“, sagt Peter Brings.

„Die Stimme muss warm bleiben“

Knapp 150 Auftritte absolviert Brings in der Hochphase der Karnevalssession, von Anfang Januar bis Aschermittwoch. Kölner Bands unterscheiden sich damit in zwei Dingen entscheidend von anderen Künstlern in Deutschland: Zum einen spielen sie mehrfach am Tag und zum anderen in einer Bandbreite von Dorf-Partyzelt bis Großstadt-Arena. Während andere Künstler in der Größenordnung von Brings Dorffeste längst hinter sich gelassen haben, kehren Kölner Bands auch nach ausverkauften Stadion-Touren noch aufs Land zurück. Warum? Peter Brings begründet das so: „Wer uns im Karneval auf dem Dorf erlebt und geil findet, der kauft sich auch eine Karte fürs Konzert.“

Über 500 Buchungsanfragen bekommt die Band pro Session, Manager Stefan Kleinehr wählt aus, wen Peter, Stephan, Christian, Kai und Harry besuchen und wen nicht. Entscheidend seien dabei auch perfekt geplante Routen, sagt Peter Brings: „Wir wollen möglichst wenig Wartezeiten. Dann sackt das Adrenalin runter und du bist am Arsch.“ Was andere als puren Stress empfinden würden, ist von Brings also gewollt. „Die Stimme muss warm bleiben“, sagt Peter Brings.

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