Am Mittwoch fand in Berlin die KI-Konferenz „Rise of AI“ statt. t-online hat mit dem Veranstalter über Risiken und Chancen Künstlicher Intelligenz gesprochen.
Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt sich mit unglaublicher Geschwindigkeit weiter. Die US-Firma OpenAI hat am Dienstag die neueste Version ihres Chatbots ChatGPT vorgestellt. Auch auf Googles Entwicklerkonferenz I/O drehte sich am selben Abend alles um das Thema KI.
Fabian J. G. Westerheide sieht das Potenzial dieser Technologie schon lange. Seit 2014 treibt er die Entwicklung voran und investiert in KI-Unternehmen. Nicht umsonst zählt er zu den bekanntesten Köpfen der deutschen Tech- und KI-Szene. 2016 initiierte er die erste „Rise of AI“-Konferenz, Europas einflussreichstes Treffen für die KI-Branche, die in dieser Woche in Berlin stattfand.
t-online: Viele Menschen haben Angst davor, wie Künstliche Intelligenz ihr Leben verändern wird. Wie begründet ist diese Angst?
Fabian Westerheide: Ich glaube, sie ist unbegründet. Keiner muss Angst vor der KI haben. Ich habe mehr Angst vor der Unfähigkeit unserer Bevölkerung und unserer Politik, sich darauf vorzubereiten.
Zur Person
Fabian J. G. Westerheide gilt als einer der führenden Köpfe im Bereich der Künstlichen Intelligenz in Deutschland. Als Gründer und CEO der AI for Humans GmbH ist er Berater zahlreicher Regierungsinstitutionen und Fortune-500-Unternehmen. Zusammen mit seiner Frau ist er Gastgeber der jährlichen Konferenz „Rise of AI“, dem Branchentreffen für die zentralen Akteure des deutschen KI-Ökosystems.
KI ist ein Werkzeug, und ein Werkzeug lässt sich immer für Gutes und Schlechtes benutzen. KI kann Leben retten und sie kann Leben nehmen. Es ist immer der Mensch, der dahintersteckt und die KI trainiert, gut oder böse zu sein. Kriegsführung funktioniert schon lange nicht mehr über das Militär, sondern über Desinformationssteuerung. Wie sabotiere ich die Bevölkerung? Ich schicke doch keine Truppen. Wir müssen keine Angst davor haben, dass die chinesischen Drohnen hier rüberfliegen. Sie müssen nur Desinformation streuen und den Strom abschalten – und dann bringen wir uns gegenseitig um.
Was müsste also getan werden, um die Entwicklung positiv zu gestalten?
Zunächst einmal müssen Unternehmen, Politik, Verwaltung das Thema endlich ernst nehmen. KI ist ein Tsunami, der die Menschheit überschwemmt. Wir können die Welle nicht aufhalten, aber wir können sie proaktiv reiten. Nur wenn wir KI in Europa selber steuern, können wir sie ethisch korrekt machen, können wir sie wertbeständig machen für unsere Kultur. Wenn wir das Thema weitere zehn Jahre verschlafen, dann gibt es bald keine digitale deutsche Sprache mehr. Die wird dann nur noch mündlich gesprochen – generiert von einer amerikanischen KI.
Eine Zukunftsvision, die Fragen beantwortet wie: Wie lässt sich Deutschland in den nächsten zehn bis 30 Jahren in diesem Bereich voranbringen? Und wie nehme ich den Leuten die Ängste vor der Zukunft? Für Letzteres brauchen wir eine Imagekampagne: KI ist ein großartiges Werkzeug. Jeder Arzt weiß, wie wichtig KI ist. Im Krankenhaus kann sie Leben retten. Wir brauchen positive Geschichten …
… aber Sie selbst entwerfen viele Schreckensszenarien …
Ich mache Angst und Panik für die Leute, die ich nur mit Angst und Panik erreichen kann. Politiker und Wirtschaftsakteure haben Angst, etwas zu verlieren. Aber für die, die nichts haben, ist KI großartig.
Wohlstand lässt sich mithilfe von KI zum ersten Mal fair verteilen, niemand muss mehr hungern. Durch kostenlose KI-Programme können wir die ganze Welt fortbilden, sodass jeder die gleichen Chancen hat. Wir können das Mehrklassensystem in der Gesundheit abschaffen, damit jeder eine gute Gesundheitsversorgung bekommt. Wenn jeder Mensch einen smarten Ring trägt und eine KI uns dabei hilft, uns bewusst zu ernähren und öfter zu bewegen, können wir vielen Herz-Kreislauf-Problemen vorbeugen, genauso wie vielen Wohlstandskrankheiten.
Das hört sich in der Theorie gut an. Aber wie lässt sich das in die Praxis umsetzen?
Ich möchte, dass die Leute Verantwortung übernehmen, die reich geworden sind, weil sie auf dieser Gesellschaft aufgebaut haben. Dieter Schwartz (Eigentümer der Schwarz-Gruppe, zu der auch Kaufland und Lidl gehören, Anm. d. Red.) investiert eine Milliarde in KI und Bildung. Susanne Klatten (Unternehmerin und BMW-Großaktionärin, Anm. d. Red.) hat Hunderte Millionen in KI und Bildung gesteckt. Wo sind die anderen 2.000 Millionäre und Milliardäre, die wir in Deutschland haben? Wo sind denn deren große Programme für die Menschheit?
Dystopie und Schreckensszenarien verkaufen sich besser als gute Nachrichten. Wie lassen sich die Menschen mit positiven Geschichten erreichen?