Vor der FDP liegt ein schweres Jahr. Und der Chef? Versucht, mit einer Mischung aus Attacken und Verteidigung die Liberalen zu retten. Report vom Dreikönigstreffen der Partei.

Auf Bühnen gilt ein Grundsatz: Sprich an, was durch den Raum wabert, sonst spült es dich weg. Man kennt das von Stand-up-Comedians, die Witze über ihre eigenen Missgeschicke reißen, damit es sonst keiner macht. Auch die Verantwortlichen bei der FDP haben den Grundsatz verinnerlicht. Auf die große Bühne beim Dreikönigstreffen in Stuttgart lassen sie – Schriftgröße etwa 20.000 – drei Worte projizieren: „Alles, außer unentschieden.“

Denn die Unentschlossenheit schwebt über den rund 600 Anwesenden im Stuttgarter Opernhaus – und damit über der ganzen Partei. Gerade hatte die FDP eine interne Abstimmung durchgeführt: 52 zu 48 Prozent sprachen sich die Mitglieder knapp dafür aus, weiter mit der Ampelkoalition zu regieren. Eine Hälfte ist dafür zu gehen, eine Hälfte dafür zu bleiben. Wirkt sehr unentschlossen. Doch genau diesen Eindruck will die Führung der Partei vermeiden, deshalb sprechen die verschiedenen Vorredner von Christian Lindner vor den drei Worten an der Leinwand. Es ist der Versuch, die Wogen zu glätten.

Seit Jahrzehnten treffen sich die Liberalen am Dreikönigstag in Stuttgart, seit Jahrzehnten ist es ihr politischer Jahresauftakt. Immer werden euphorische Reden gehalten, Zuversicht strömt aus den glatt gebügelten Hemden und man spricht sich gegenseitig Mut zu. Doch selten war die Ausgangslage so miserabel wie 2024. Es droht ein schlimmes Jahr für die FDP. Und das liegt nicht nur an der inneren Zerrissenheit, an der Frage, ob sie weiterregieren will.

Die Partei steht in den Umfragen seit Wochen bei fünf Prozent, die Landtagswahlen der letzten zwei Jahre liefen fast alle desaströs. Für dieses Jahr stehen nun eine Europawahl und drei Landtagswahlen an. Und jetzt? Dreht sich die Spirale weiter nach unten? Beim Dreikönigstreffen lässt sich beobachten, wie die Partei sich aus der eigenen Misere schälen will. Es ist vor allem der Parteichef, der in einer selbst geschaffenen Klemme sitzt.

„Hören Sie genau zu“, ruft Strack-Zimmermann

Das Programm geht auf die Minute pünktlich los, kein Zögern und kein Zweifeln soll im Ablauf erkennbar sein. Verschiedene Vorredner wie der FDP-Fraktionschef in Baden-Württemberg bringen den Saal in Stimmung. Man teilt gegen die dortige Landesregierung aus: „Sie erinnert an eine modische Jeans: Die Nieten trägt man außen.“ Allgemeine Heiterkeit, der Boden ist geebnet.

Über den rollt dann das rhetorische Großkaliber der Partei: Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie ist die designierte Spitzenkandidatin der Europawahl der Liberalen und legt donnernd nach: „Wir brauchen weniger von der Leyen und mehr von der Freiheit.“ Als sie über die Waffenlieferungen an die Ukrainer spricht, ruft eine Frau rein, die das kritisiert. Es wirkt, als hätte Strack-Zimmermann nur darauf gewartet. „Hören Sie genau zu!“, schleudert sie der Frau entgegen, „wenn wir das nicht machen, dann ist hier Ende Gelände! Auch für Sie!“ Lauter Applaus.

Strack-Zimmermann warnt in Bezug auf die Europawahl vor einem Erstarken der Populisten. Sie nennt die AfD und Wagenknecht, die nicht gewinnen dürften, sonst „ist die Kacke am Dampfen! Die braune und die rote!“

Es ist ein Auftritt, wie man ihn von Strack-Zimmermann kennt: wuchtig, lautstark, treffsicher. Dann, um 12.29 Uhr, betritt Parteichef Lindner die Bühne. Er sagt: „Manche werden nach Europa geschickt, damit sie von der Bildfläche verschwinden. Marie-Agnes Strack-Zimmermann geht nach Brüssel, damit die Stimme der Freiheit unüberhörbar wird.“ Es ist der erneute Versuch, anzusprechen, was ohnehin durch den Raum wabert.

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