Im Harz hat sich eine Siedlergemeinschaft namens Weda Elysia angesiedelt. Die Stimmung im Dorf ist angespannt, der Verfassungsschutz alarmiert und nur wenige Menschen möchten darüber reden. t-online war vor Ort.

Ein kleines gelbes Haus lädt im Herzen von Wienrode zu Kaffee und Kuchen. Es schmiegt sich ein zwischen Fachwerkhäusern und Höfen des kleinen Dorfes mit etwa 800 Einwohnern im Osten des Harzes. Durch die Fenster des Gasthofs ist einfaches Holzmobiliar zu erkennen, auf dem es sich die Gäste bequem machen und gemeinsam Zeit verbringen könnten. Alles wirkt idyllisch. Doch der Gasthof und sein Betreiber spalten die Dorfgemeinschaft.

Im Jahr 2018 kaufte ein Verein den Gasthof Haus Lindenquell: Weda Elysia nennt er sich. Seine Mitglieder renovieren ihn nach und nach, er stand lange leer.

Es ist ein Verein, den der Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt als „gesichert rechtsextrem“ einstuft. Er gehört zur völkischen Anastasia-Bewegung, die ihren Ursprung in der Fantasy-Buchreihe des russischen Autors Wladimir Megre hat. In den Büchern propagiert Megre die radikale Abkehr von der modernen Gesellschaft – und ein geschlossenes, antisemitisches und völkisches Weltbild. Mehr zur Anastasia-Bewegung lesen Sie hier.

20 Grundstücke für Rechtsextreme

Der Verein ist eng mit weiteren Akteuren der rechtsextremen Szene verbunden. Auf seinem Telegram-Kanal teilt er Videos, in denen Verschwörungserzählungen verbreitet werden – unter anderem geht es um den „Großen Austausch“ und um die Verharmlosung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine.

Narrativ des „Großen Austauschs“

Der Begriff bezeichnet ein Narrativ der Neuen Rechten. Sie behaupten, dass die „eingeborene“ Bevölkerung Europas durch Migration insbesondere aus afrikanischen Ländern und dem Nahen und Mittleren Osten ausgetauscht werden soll. Innerhalb der Neuen Rechten wird dies sowohl als bewusst gesteuerter Prozess, oftmals einhergehend mit verschwörungstheoretischen Aufladungen, als auch als Ergebnis demografischer Entwicklungen dargestellt. Besonders die synonym verwendete Formulierung „Umvolkung“ bezieht sich direkt auf den gleichlautenden nationalsozialistischen Terminus.

Laut Verfassungsschutz hat der Verein 15 Mitglieder und will Rückzugsräume schaffen. 20 Grundstücke habe er in Wienrode bereits übernommen, berichtete der MDR von einer Informationsveranstaltung des Verfassungsschutzes im benachbarten Blankenburg im November. Mit Aktivitäten vor Ort versuche der Verein, den Menschen die eigene Ideologie näherzubringen.

Oliver Meißner, evangelischer Pfarrer im Ort, sagt im Gespräch mit t-online, dass sich die Stimmung im Ort definitiv verändert habe, seit die Siedler den Gasthof gekauft haben – auch aufgrund ihrer großen Präsenz. An ihrem Haus hängt ein Banner „Für ein friedliches Miteinander in unserem schönen Wienrode“. Meißner widerspricht am Telefon: „Sie tun eigentlich nichts, um ein friedliches Miteinander zu ermöglichen.“

Weda Elysia will friedlich wirken

Rolf Frankenberger, Extremismusforscher an der Universität Tübingen, sieht darin eine Strategie der Bewegung. Nach außen hin stelle man sich als friedliche Bürger dar, die sich in die Gemeinschaft integrieren wollen. „Aber wenn man sich ihre Ideologie anschaut, die antisemitische Verschwörung, sind sie nicht mehr die friedlichen Leute.“

Bei den Nachwahlen zum Ortschaftsrat im November 2023 kandidierten zwei Mitglieder des Vereins. Eine von ihnen, Anja Maria Schulz, wurde mit 101 Stimmen in das örtliche Parlament gewählt. Die Kandidaten der Wahlliste „Schönes Wienrode“, für die sie kandidierte, erreichte 204 Stimmen, die der zweiten Wahlliste der CDU 986 Stimmen. Weda Elysia wolle sich in das Dorf einbringen, erklärte der Vorsitzende Maik Meinhard Schulz dem MDR. Auf eine Anfrage von t-online reagierte der Verein nicht.

„Wenn ihnen das friedliche Miteinander des Dorfes so am Herzen liegen würde, hätten sie ja nicht kandidieren müssen“, sagt Meißner zur Wahl. Die Mitglieder des Vereins wüssten, dass sie umstritten sind. Mit der Wahl wuchs die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Ort nochmal etwas mehr.

Pfarrer will über rechte Umtriebe aufklären

Seine Aufgabe sieht Meißner vor allem in der Aufklärung. „Keiner hier kann sagen, er wüsste nicht, wofür die stehen.“ Vor der Wahl habe er Menschen ermutigt, ohne Angst in die Wahlkabine zu treten. Nach der Wahl habe er nun etwas mehr Hoffnung, denn mit 986 Stimmen hätten sich viele gegen den Verein ausgesprochen. Meißner plant mit der Gemeinde jetzt weitere Veranstaltungen zu kultureller und gesellschaftlicher Vielfalt.

Im Jahr 2019 organisierten auch Mitglieder der Linken eine Gegendemonstration zum Julfest, dem altgermanische Fest zur Wintersonnenwende. Schon im Terrorstaat der Nationalsozialisten wurde versucht, das christliche Weihnachtsfest zum „Julfest“ umzudeuten – eine Tradition, die rechtsextreme Bewegungen heutzutage übernommen haben. Weda Elysia begeht es in jedem Jahr als germanisierten Weihnachtsmarkt, mit geschmückten Bäumen und Hütten, in denen Speisen und Getränke angeboten werden.

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