Die Landwirte wollen diese Woche ganz Deutschland lahmlegen. Dabei mischen sich auch radikale Gruppen unter die Bauern.
t-online: Frau Lamberty, Wie bewerten Sie die Bauernproteste?
Pia Lamberty: Wir haben zum einen Proteste der Bauern, die für ihre Ziele auf die Straße gehen, und wir haben eine rechtsextreme Instrumentalisierung des Ganzen. Das ist zum Beispiel ein Unterschied zu den Corona-Protesten, die von Anfang an rechtsextrem geprägt waren. Da kann es Vermischungen zwischen Bauern und Rechtsextremen geben, aber wir sehen unterschiedliche Aufrufe. Diese Symbolträchtigkeit des heutigen Tages als vermeintlicher Generalstreik, Tag des Widerstandes oder wie auch immer man es nennt, ist ja etwas, was eher aus dem rechtsextremen Milieu kommt.
Sie sprachen die Instrumentalisierung aus dem rechtsextremen Milieu an. Was droht dadurch? Wie geht es weiter mit den Protesten?
Das ist immer schwierig zu sagen. Wenn man sich die Struktur anguckt, sehen wir, dass mehr oder weniger alle rechtsextremen Strukturen – die AfD, die „Freien Sachsen“, „Querdenken“-Strukturen – dazu aufrufen, sich dem heutigen Tag anzuschließen. Da ist jetzt die große Hoffnung, dass endlich mal der erhoffte Generalstreik funktioniert. Das hat in der Vergangenheit nicht funktioniert. Und je nachdem, wie das heute läuft, wie gut sie diese Proteste für sich instrumentalisieren können, entscheidet sich, wie es weitergeht. Also ob weiter versucht wird, das Thema für sich zu nutzen. Ich glaube schon.
Entscheidend ist auch, wie die mediale Berichterstattung läuft und welche Bilder der Protest produziert. Dann kann man erst valide sagen, wie es weitergeht. Ich glaube schon, dass das jetzt ein Kipppunkt sein kann.
Wie können die Bauern, der Bauernverband die Unterwanderung verhindern?
Was man positiv hervorheben muss, ist, dass die Bauern immer klar gesagt haben, dass sie mit Rechtsextremen nicht gemeinsame Sache machen möchten. Diese verbale Abgrenzung ist wichtig. Aber das allein führt nicht dazu, dass die Extremisten auch zu Hause bleiben. Man muss sich weitere Schritte überlegen. Es gibt tatsächlich Demos, bei denen Rechtsextreme als Sprecher fungieren. Da gibt es viele gute Beratungsstellen in den Regionen, die die Bauern gut hätten beraten können. Das ist nicht das erste Mal, dass versucht wird, solche Proteste für sich zu instrumentalisieren. Man hätte auf die Expertise der Vergangenheit zurückgreifen sollen.
Ich finde es auch wichtig, sich zu überlegen: Welche Bildsprache möchte man denn eigentlich bedienen? Welche Symboliken gehen nicht, welche lässt man außen vor? Wo sind rote Linien überschritten? Unabhängig davon, ob die Person zu einer rechtsextremen Gruppierung gehört oder nicht. Ein Galgen ist für mich nicht gerade der Inbegriff eines demokratischen Protestes, sondern eine sehr zweifelhafte Symbolik. Man möchte doch auf dem demokratischen Boden stehen. Ich hatte von außen den Eindruck, dass es zwar eine Abgrenzung gab, aber wenig gehandelt wurde. Die Bauern schaden sich aus meiner Sicht damit selbst.
Vorhandene Anliegen werden dadurch nicht mehr diskutiert. Sobald Rechtsextreme Dinge instrumentalisieren, ist ein sachlicher Kurs gar nicht mehr möglich. Man ist stattdessen damit beschäftigt, das einzugrenzen. Und eigentlich gäbe es genug Themen, die man diskutiert. Also auch innerhalb von Bauernverbänden, weil Kleinbauern ganz andere Bedürfnisse haben als Großbauern. Stattdessen müssen sie sich damit auseinandersetzen, inwiefern Rechtsextreme ihre Umsturzfantasien umsetzen können oder nicht.
Zur Person
Pia Lamberty ist Co-Geschäftsführerin des Thinktanks Center für Monitoring, Analyse und Strategie in Berlin. Sie forscht als Psychologin seit Jahren dazu, warum Menschen an Verschwörungserzählungen glauben und welche Konsequenzen dieses Weltbild mit sich bringt. Lamberty verortet sich an der Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft und klärt evidenzbasiert über Verschwörungserzählungen, Desinformation, Antisemitismus und Rechtsextremismus auf.
Wie wird für die Proteste mobilisiert?
Vor allem über den digitalen Raum, über WhatsApp. Dort tauschen sich die Landwirte aus. Das ist erst mal auch nicht schlecht. Und dann haben wir aber parallel eine Mobilisierung der Rechtsextremen über Telegram, alte Kanäle und Strukturen wurden reaktiviert, aber neue Kanäle aufgebaut, die teilweise enorm schnell gewachsen sind, weil in diesem Milieu zuletzt nicht so viel erfolgreich passiert ist. Die Nachricht zum Angriff auf Robert Habeck war eine der reichweitenstärksten Nachrichten der letzten Tage. Da war dann die Hoffnung: „Ah, jetzt kommt endlich der Umsturz.“ Interessant ist, dass wir Spillover-Effekte haben, also dass sich Nachrichten von einer Plattform auf die andere übertragen. Themen aus Telegram tauchen dann als TikTok-Video auf und werden dann auf WhatsApp geteilt. So landet es dann auch in den WhatsApp-Kanälen von Bauern, die sich mit diesen Themen wahrscheinlich nicht alle so intensiv beschäftigt haben.