Ich will keine Untergangsszenarien an die Wand malen.
Umweltminister Carsten Schneider
Wirtschaftskrise, Ukraine-Krieg, die Spätfolgen der Corona-Krise – und obendrauf wird die gesamte Gesellschaft auf Klimaneutralität getrimmt. Was sagen Sie Menschen, die sich davon schlicht überfordert fühlen?
Ich sage ihnen: Wenn wir es nicht hinbekommen, im Einklang mit unserer Erde zu leben, sondern weiter unsere natürlichen Lebensgrundlagen zerstören, dann geht das für uns Menschen nicht gut aus. Es wird zu neuen Fluchtbewegungen kommen, zu Ernteausfällen, insgesamt zu Extremsituationen. Aber ich will keine Untergangsszenarien an die Wand malen. Noch ist das alles in unserer Hand. Und die Chancen des Klimaschutzes sind gerade für ein Technologieland wie Deutschland riesig.
Als Deutschland 2023 über ein neues Heizungsgesetz diskutiert hat, haben Hunderttausende noch schnell eine neue Öl- oder Gasheizung eingebaut. Was lernen Sie daraus?
Das ist ein Beispiel dafür, wie man es nicht machen darf. Auch in meinem Bekanntenkreis haben sich Leute gegen meinen Rat noch schnell eine viel zu teure, weil zu dem Zeitpunkt heiß begehrte Gasheizung einbauen lassen. Jetzt werden sie in den nächsten Jahrzehnten viel zu teures Gas verfeuern.
Wo lag das Problem aus heutiger Sicht?
Ursache für diese Kurzschlussreaktion war auch ein politischer Fehler damals im Wirtschaftsministerium von Robert Habeck. Es wurde zu hektisch agiert und zu wenig vorbereitet. Man muss den Menschen Zeit geben, sich auf Umstellungen vorzubereiten, und dafür sorgen, dass die neuen Alternativen samt Fördermitteln auch alltagstauglich zur Verfügung stehen. Dazu kamen jede Menge Falschinformationen über Wärmepumpen und das Heizungsgesetz.
Müssen sich die Menschen im Zuge der Transformation auch auf Verzicht einstellen?
Die Menschen in der unteren Einkommenshälfte, noch mehr im unteren Drittel, die prassen nicht. 38 Prozent der Alleinerziehenden können sich keinen einwöchigen Urlaub mehr leisten. Und das heißt nicht, mit dem Flieger irgendwohin zu reisen, sondern: Sie können ihren Kindern nicht einmal das Ferienlager bezahlen. Menschen, die arm sind, haben auch den geringsten CO2-Fußabdruck. Für diese Menschen darf die Klimawende keine weiteren Einschnitte bedeuten. Stattdessen geht es darum, wie wir unsere Energieversorgung und unsere Industrie umstellen und wie wir die, die einen sehr hohen CO2-Ausstoß haben, stärker heranziehen.