Der vorletzte Interessent springt ab, Klubs ändern ihre Meinung, Fans äußern sich kritisch. Der DFL-Investorendeal erhitzt weiter die Gemüter. Die Zukunft bleibt unklar.
Seit der WM in Katar sind den Fußballfans lange Nachspielzeiten nicht mehr fremd. Auf Anweisung der Fifa sollten die Schiedsrichter Unterbrechungen noch strenger protokollieren. Das Ergebnis: In einzelnen Partien kam es zu insgesamt knapp 30 Minuten Nachspielzeit.
Die Klubs der 1. und 2. Bundesliga können das aktuell gut nachempfinden. In Hamburg pfiff Schiedsrichter Sören Storks den zweiten Durchgang des HSV gegen Hannover 96 nach 19 Minuten Nachspielzeit ab. In Berlin köpfte Unions Danilho Doekhi in der 21. Minute der Nachspielzeit in Hälfte eins das Siegtor gegen den VfL Wolfsburg.
Grund dafür sind aber nicht ähnliche Anweisungen wie bei der Fifa, sondern die Proteste aktiver Fanszenen gegen den DFL-Investorendeal. Fans werfen mit Schokotalern, Tennisbällen und Zitronen, halten Banner hoch und schließen auch schon einmal Fahrradschlösser an den Toren fest. Alles, um Aufmerksamkeit zu erregen.
Darum geht es beim DFL-Investorendeal
Für eine prozentuale Beteiligung an den TV-Erlösen soll ein Finanzinvestor eine Milliarde Euro zahlen. Aktuell gibt es nur noch einen Interessenten: die luxemburgische Finanzfirma CVC. Der Vertrag soll eine Maximallaufzeit von 20 Jahren haben und bis zum Beginn der Saison 2024/25 unterzeichnet sein. Die Liga will das Geld vornehmlich für den Ausbau ihrer Infrastruktur nutzen. Dazu zählen Digitalisierung und Internationalisierung sowie der Aufbau einer eigenen Streamingplattform. Kritiker fürchten, dass durch den Deal Spiele ins Ausland verlagert werden könnten, der Spieltag weiter aufgesplittet und der Fußball immer teurer werden könnte.
Offenbar mit Erfolg, denn am Dienstagabend wurde bekannt, dass sich der US-Investor Blackstone aus den Verhandlungen zurückzieht. Was zunächst die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, bestätigte kurze Zeit später auch die DFL selbst. „Während Blackstone nach guten Gesprächen nicht mehr als strategischer Vermarktungspartner infrage kommt, wird der weitere Prozess im vorgesehenen Zeitplan mit CVC fortgesetzt. Mit dem Interessenten werden in den kommenden Wochen die weiteren Prozessschritte und Verhandlungen durch die DFL-Geschäftsführung erfolgen.“
Ursprünglich gab es fünf Kandidaten für den Deal, jetzt bleibt nur noch das luxemburgische Finanzunternehmen CVC übrig. Blackstones Ausstieg hängt übereinstimmenden Medienberichten auch mit den Folgen der Fanproteste zusammen. Denn diese beeinflussten einige Vereinsfunktionäre. Ihr Hadern ist unter anderem laut „Zeit Online“ ein Grund für die Absage Blackstones.
Die Fanorganisation „Unsere Kurve“ sieht das auch als ihr Verdienst an. „Natürlich ist dies jetzt ein erster Erfolg der Proteste. Eine neue, offene Abstimmung über den Investoren-Einstieg bleibt aber alternativlos“, sagte der 1. Vorsitzende Jost Peter dem Sport-Informations-Dienst: „Dass Blackstone anscheinend die Vereine der DFL als zu zögerlich empfindet, offenbart nur, mit wem man sich hier einlassen will: Mit einem Investor, der offensichtlich demokratische Strukturen und mitgliedergeführte Vereine als geschäftsschädigend begreift.“
Die Unterstützung eines großen Teils der Fans haben die Ultras ohnehin auf ihrer Seite. Eine repräsentative Umfrage der Plattform „FanQ“ in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Dortmund ergab, dass mehr als 62 Prozent der deutschen Fußballfans den Einstieg eines Investors ablehnen. Rund drei Viertel halten Proteste gegen den Deal für angemessen (76,8 Prozent). Zahlen, die sich mit den Erfahrungen einzelner Klubs decken. Bei Fortuna Düsseldorf und dem 1. FC Magdeburg wurden vor der Wahl Mitgliederbefragungen durchgeführt, wie die Vertreter der Vereine abstimmen sollen. Das Ergebnis in beiden Fällen: eine klare Ablehnung des Deals.
Klare Absage an Wiederholung der Wahl
Nicht nur das Ergebnis, auch die Art und Weise der Abstimmung im Dezember ist den Ultras vieler Klubs ein Dorn im Auge. Denn diese lief geheim und per Papier. Laut der „Sportschau“ hatten einige Teilnehmer die Sorge geäußert, dass ihre Stimme nachverfolgt werden könnte. Besonders umstritten war die Wahl von Martin Kind, des Vertreters von Hannover 96. Der Geschäftsführer der ausgegliederten Profiabteilung des Klubs war vom Mutterverein damit beauftragt worden, mit „Nein“ zu stimmen. Da sich in den Folgetagen jedoch zehn Klubs, die mit „Nein“ gestimmt hatten, meldeten, war klar, dass sich Kind wohl für einen Einstieg ausgesprochen hatte. Denn insgesamt gab es nur zehn „Nein“-Stimmen.
Daher fordern die Ultras eine Wiederholung der Wahl in transparenter Art und Weise. Unterstützt werden sie dabei von den Vertretern mehrerer Klubs. Hertha BSC, VfL Osnabrück, VfB Stuttgart, Karlsruher SC, Hannover 96 und Union Berlin zählen dazu.