Urteil im Prozess um die Ermordung von zwei Teenagern und der Verletzung von vier weitere Menschen durch einen Geflüchteten: Er muss lebenslang in Haft.
Im Prozess um die tödliche Messerattacke im schleswig-holsteinischen Brokstedt hat das Landgericht Itzehoe den Angeklagten Ibrahim A. am Mittwoch wegen Mordes und versuchten Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Kammer sah es als erwiesen an, dass der 34-Jährige im Januar 2023 in einem Regionalzug zwei Menschen erstochen und vier schwer verletzt hat. Zudem stellte die Große Strafkammer die Schwere der Schuld fest, was bedeutet, dass eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung nach 15 Jahren praktisch ausgeschlossen ist. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Bei der Frage der Schuldfähigkeit folgte die Große Strafkammer damit dem Gutachten des Psychiaters Arno Deister. Der Professor hatte psychotische Symptome und eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) bei dem Angeklagten diagnostiziert, aber keine Psychose. „Ich sehe keine Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit“, hatte er gesagt. Auch liege keine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit vor.
Zuvor war über eine Zeitspanne von zehn Monaten und 38 Verhandlungstagen der Mordprozess geführt worden. Im Fokus stand die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten. Der 34-jährige Palästinenser Ibrahim A. war wegen zweifachen Mordes und des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher oder schwerer Körperverletzung in vier weiteren Fällen angeklagt gewesen.
Der Fall hatte Deutschland erschüttert
Eine 17-jährige Gymnasiastin war mit ihrem 19-jährigen Freund am 25. Januar 2023 im Regionalexpress von Kiel nach Hamburg gefahren, hatte in Elmshorn ihre Eltern besuchen wollen. Im selben Zug saß Ibrahim A., ein staatenloser Palästinenser, der bei der Ausländerbehörde in Kiel nicht den Bescheid bekommen hatte, den er erwartet hatte. Vor der Fahrt zurück nach Hamburg hatte er ein Messer gestohlen.
Kurz vor dem Stopp in Brokstedt lief Ibrahim H. auf das junge Paar zu. Auf die Frau stach er 26-mal ein. Danach attackierte er ihren Freund, stach in Herz, Lunge, Magen. Beide Teenager starben. Ibrahim A. griff vier weitere Fahrgäste an, die zum Teil schwer verletzt wurden.
War „Frust über Ausländerbehörde“ der Grund für die Tat?
Die Staatsanwaltschaft plädierte für eine lebenslange Freiheitsstrafe und die Feststellung einer besonderen Schwere der Schuld, da er aus Frust über einen erfolglosen Termin bei der Ausländerbehörde in Kiel gehandelt habe.
Die Verteidigung argumentierte, dass Ibrahim A. aufgrund einer psychotischen Störung nicht schuldfähig sei und forderte seine Einweisung in eine forensische Psychiatrie. Sollte das Gericht dieser Argumentation nicht folgen, plädierte sie für eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren wegen zweifachen Totschlags sowie vierfacher gefährlicher oder schwerer Körperverletzung.
Psychotische Störung oder Belastungsstörung?
Ein psychiatrischer Sachverständiger, Arno Deister, verneinte jedoch das Vorliegen einer Psychose bei Ibrahim A., behauptete aber, dass er unter einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leide. Er sagte: „Ich sehe psychotische Symptome, aber keine Psychose.“ Laut dem Vorsitzenden Richter Johann Lohmann geht die Kammer von einer PTBS des Angeklagten zur Tatzeit aus, jedoch nicht von einer Psychose.
Die Tat hatte auch politische Auswirkungen, da es Versäumnisse im Informationsaustausch zwischen den Behörden gegeben hatte. Ibrahim A., der im Gazastreifen aufgewachsen ist und 2014 nach Deutschland gekommen war, lebte zunächst in Nordrhein-Westfalen, bevor er nach Kiel zog. Bis wenige Tage vor der Tat hatte er sich wegen einer anderen Straftat in Untersuchungshaft in Hamburg befunden und war dort sowie auch später in Schleswig-Holstein durch renitentes Verhalten aufgefallen.