Mit seinem Wehrpflichtvorstoß hat Verteidigungsminister Pistorius so manche Genossen verärgert. Die Jusos proben nun den Aufstand: Mit einem Antrag auf dem SPD-Parteitag wollen sie den Minister einhegen.
Die Jusos wollen die Pläne von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) über einen verpflichtenden Militärdienst verhindern. Die SPD-Jugendorganisation hat dazu einen Initiativantrag für den SPD-Parteitag am Wochenende vorbereitet. Das einseitige Papier trägt den Titel „Freiwilligkeit statt Zwang: Unsere Vorstellungen für einen Wehrdienst“ und liegt t-online exklusiv vor.
In dem Antrag gehen die Jusos in die offene Konfrontation mit dem SPD-Verteidigungsminister. „Forderungen nach einer Verpflichtung von jungen Menschen zum Wehrdienst oder die Wiedereinführung der Wehrpflicht lehnen wir ab. Im geplanten Wehrdienstgesetz muss daher über Freiwilligkeit statt über Zwang gearbeitet werden. Zwang ist keine Antwort auf die strukturellen Probleme der Bundeswehr“, heißt es dort.
Pistorius wird zwar nicht namentlich erwähnt, dürfte das Papier aber als direkten Angriff auf seine Pläne auffassen. Der Verteidigungsminister hatte in den vergangenen Tagen durchblicken lassen, dass er – im Gegensatz zum alten Entwurf aus Ampel-Zeiten – im neuen Gesetz eine Wehrpflichtoption verankern will. Zwar sei das Ziel weiterhin, zunächst auf Freiwilligkeit zu setzen, so Pistorius neulich im ARD-Talk „Caren Miosga“. Doch sollten sich nicht genug Freiwillige finden, würde eine entsprechende Regelung im Gesetz greifen und eine Wehrpflicht käme ins Spiel.
Wie genau der Mechanismus ausgestaltet wird, ist bisher unklar. Aus Sicht der Jusos stellt aber bereits die Möglichkeit einer verpflichtenden Einziehung ein Problem dar und eine Abkehr von der Idee der Freiwilligkeit. „Einen Automatismus im Gesetz, der eine Wehrpflicht oder einen zwangsweisen Wehrdienst verankert, lehnen wir ebenfalls ab“, schreiben sie.
Stattdessen plädieren sie dafür, alle jungen Menschen im wehrfähigen Alter mit einem Fragebogen anzuschreiben und nach ihrem Interesse am Wehrdienst zu befragen. Im Grunde der ursprüngliche Ansatz von Pistorius, den er zu Ampel-Zeiten verfolgte: Die einzige Pflicht (für Männer) bestand darin, den Fragebogen zurückzuschicken.
Die Jusos berufen sich in dem Antrag auf die offizielle Parteilinie. Die SPD habe sich in ihrem Wahlprogramm klar dazu bekannt, sich für ein Modell einzusetzen, das auf Freiwilligkeit basiere, schreiben sie. „Hieran gilt es unbedingt festzuhalten.“ Tatsächlich hieß es im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2025: „Der neue Wehrdienst soll auf Freiwilligkeit basieren.“ Von einer Wehrpflichtoption war damals nicht die Rede.
Im Koalitionsvertrag von Union und SPD heißt es hingegen, dass der neue Wehrdienst „zunächst“ auf Freiwilligkeit basiere. Auf das „zunächst“ berufen sich nun die Wehrpflichtbefürworter in der Bundesregierung – Freiwilligkeit gelte nur so lange, wie der Bedarf der Truppe gedeckt werden könne.
Der Hinweis der Jusos auf die Beschlusslage der SPD dürfte nicht nur an die Adresse des Verteidigungsministers gehen. Auch Parteichef Lars Klingbeil hatte sich vor einigen Tagen für eine spätere Zwangseinziehung offen gezeigt. Zwar erteilte er Unionsforderungen nach einer Rückkehr der alten Wehrpflicht eine Absage, zeigte sich aber einverstanden damit, dabei „jetzt schon die Voraussetzungen dafür“ zu schaffen, „dass auch verpflichtend eingezogen werden könnte“. Das soll für den Fall gelten, dass sich nicht genügend Freiwillige melden.
Die Jusos machen zugleich klar, dass sie einen personellen Aufwuchs der Bundeswehr um 60.000 Soldaten bei der regulären Truppe unterstützen. Auch wolle man den freiwilligen Reservedienst stärken, um den bezifferten Bedarf von 200.000 Reservisten zu erreichen. Doch werde eine Stärkung der Streitkräfte nicht mit staatlichem Zwang erreicht, sondern „durch die Steigerung der Attraktivität der Bundeswehr, angemessener Ausrüstung, attraktiven Arbeitsbedingungen und einem guten Sold“, heißt es im Antrag.