„Das war ein Riesenfehler“, sagt EU-Politiker Martin Häusling über die Agrarkürzungen für die Bauern. Trotzdem ist er generell für die Streichung klimaschädlicher Subventionen.

In Deutschland gehen die Bauern auf die Straße, weil die Bundesregierung die Subventionen für Agrardiesel kürzen will. Doch vieles, was die Landwirte betrifft, wird in Brüssel entschieden. Wie blickt ein EU-Politiker auf die Lage in Deutschland? Martin Häusling, Abgeordneter der Grünen im Europäischen Parlament und agrarpolitischer Sprecher seiner Fraktion, hält die Demonstrationen für maßlos überzogen.

Dennoch sieht er auch Fehler bei der Bundesregierung. „Die Kürzungen belasten die Landwirte überproportional“, sagt Häusling. „Ich habe meinen Unwillen über die Beschlüsse direkt an unsere Leute in Berlin weitergegeben.“ Auch an einem grünen Minister findet Häusling Kritikpunkte.

t-online: Herr Häusling, Sie sind selbst Landwirt. Beteiligen Sie sich an der Protestwoche der Bauern?

Martin Häusling: Nein. Ich bin nur noch Freizeitbauer. Meine Söhne arbeiten aber als Landwirte und haben sich auch nicht beteiligt. Die finden – genau wie ich – den Protest überzogen, so wie er läuft.

Am Montag haben Sie in einer Mitteilung gewarnt, dass die Proteste sich radikalisieren und von rechts unterwandert werden könnten. Hat sich der Bauernverband aus Ihrer Sicht ausreichend distanziert?

Wenn ich mir manche Plakate anschaue und die Galgen sehe, dann nicht. Nur ein paar starke Worte reichen nicht. Dann muss man auch die Leute von den Demos rauswerfen.

Nein, das ist maßlos überzogen. Das kreide ich dem Bauernverband auch an. Von den Kürzungen hängt nicht die Existenz der Bauern ab. Wir wissen doch alle, dass Diesel die kommenden Jahre – mit oder ohne Subventionen – nicht billiger wird. Es ist richtig, klimaschädliche Subventionen abzubauen. Aber dann muss man den Bauern auch Alternativen zum Diesel geben. Und es gibt noch keinen Elektrotrecker, der wird auch in den nächsten Jahren nicht kommen. Dafür brauchen wir mehr Forschung. Den Umbau schafft die Landwirtschaft nicht von allein.

Also können Sie die Verärgerung Ihrer Landwirtschaftskollegen schon nachvollziehen?

Ja, ich finde auch nicht gut, wie die Politik da agiert hat. Die Kürzungen belasten die Landwirte überproportional. Ich habe meinen Unwillen über die Beschlüsse direkt an unsere Leute in Berlin weitergegeben.

(Quelle: dts Nachrichtenagentur/imago images)

Zur Person

Martin Häusling ist gelernter Agrartechniker. Seit 1988 bewirtschaftet er den Kellerwaldhof nach Bioland-Richtlinien. Seit 15 Jahren sitzt Häusling für die Grünen im Europäischen Parlament. Für seine Fraktionen ist er agrarpolitischer Sprecher. Zuvor war er zwischen 2003 und 2009 Abgeordneter im Hessischen Landtag. Er ist Mitbegründer der hessischen Grünen.

Wie bewerten Sie das Agieren Ihres Parteifreunds und Landwirtschaftsministers Cem Özdemir? Er hat sich von vornherein gegen die Kürzungen ausgesprochen.

Ich bin Cem Özdemir dankbar, dass er sofort klargemacht hat, dass die Landwirte auf die Straßen gehen werden, wie übrigens alle grünen Agrarpolitiker. Andere haben sich schnell vom Acker gemacht. Im Haushaltsplan zahlen die Kürzungen eigentlich bei Finanzminister Lindner ein, nicht bei Cem.

Die Verhandler müssen doch die Position des Landwirtschaftsministers gekannt haben. Das heißt, er wurde offenbar übergangen. Spricht nicht unbedingt dafür, dass Özdemir ein starker Minister ist.

Ich kenne das aus Brüssel. Da verhandelt man bis tief in die Nacht und jeder ist froh, dass es nur noch ein Ende hat. Da sind die Landwirte am Ende hintenübergefallen. Ich will Robert Habeck gar nicht kritisieren, aber im Vordergrund stand wohl, dass man aus dem Haushaltsdilemma herauskommen muss. Es stand Spitz auf Knopf, ob die Regierung überhaupt noch handlungsfähig ist. Man hätte einige Bereiche nicht überproportional belasten dürfen. Das war ein Riesenfehler. Ich habe kurz danach mit Robert Habeck telefoniert und ihn auf die Gefahr hingewiesen. Ich hoffe, das ist jetzt angekommen.

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