Friedrich Merz hat bekräftigt, dass er der Ukraine den Marschflugkörper Taurus liefern würde – und nennt zugleich ein mögliches Ziel. Was steckt dahinter?
Der jüngste russische Terrorangriff gegen die Ukraine scheint auch Friedrich Merz nicht kaltzulassen. Mindestens 34 Menschen wurden am gestrigen Palmsonntag getötet und 117 verletzt, als zwei russische Raketen mit Splittersprengköpfen in der Stadt Sumy im Nordosten des Landes explodierten. „Das ist eindeutig ein Kriegsverbrechen“, sagte der CDU-Chef und designierte Kanzler am Abend bei „Caren Miosga“ – und stellte Kiew einmal mehr die Lieferung des deutschen Marschflugkörpers Taurus in Aussicht.
„Ich habe immer gesagt, dass ich das auch nur in Abstimmung mit den europäischen Partnern tun würde“, antwortete er auf die Frage, ob er der Ukraine das Waffensystem liefern würde. „Die Briten tun das, die Franzosen tun das, die Amerikaner tun es ohnehin.“ Die Lieferung müsse abgestimmt werden, „und wenn es abgestimmt wird, dann sollte Deutschland sich daran beteiligen“, betonte Merz.
Tatsächlich liefern Deutschlands Nato-Partner mit Storm Shadow/Scalp EG und ATACMS schon länger Waffen mit ähnlicher Reichweite und Zerstörungskraft wie der Taurus. Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Lieferung des Taurus aber stets abgelehnt – mit dem unter Waffenexperten umstrittenen Argument, dass sich die Waffe nicht ohne Beteiligung von Bundeswehrsoldaten bedienen lasse. Die Lieferung des Marschflugkörpers könnte Deutschland zur Kriegspartei machen, so Scholz‘ Sorge.
Das will auch Merz verhindern, sagt aber: „Die ukrainische Armee muss aus der Defensive herauskommen – sie reagiert ja immer nur.“ Kiew müsse nach mehr als drei Jahren Angriffskrieg „selbst auch einen Teil dieses Geschehens bestimmen können“, so Merz.
Er ging sogar so weit, die Zerstörung der illegal errichteten Kertschbrücke zwischen der ukrainischen Halbinsel Krim und dem russischen Festland als mögliches Ziel für einen Taurus-Angriff zu nennen. Über diese Brücke haben die Russen lange den größten Teil des Nachschubs für ihre Truppen im Süden der Ukraine geliefert.
- Diskussion um Taurus-Lieferung: „Scholz vertraut der Ukraine nicht“
„Inzwischen ist die Kertschbrücke aber nicht mehr so von Bedeutung wie noch vor einem Dreivierteljahr, weil die Russen ihre Eisenbahn bis nach Mariupol ausgebaut haben“, sagt der Militärexperte t-online. Putins Truppen im Süden der Ukraine sind also nicht mehr so stark auf die Brücke zur Krim angewiesen. „Symbolisch wäre die Zerstörung der Brücke aber immer noch sehr wichtig für die Ukraine“, so Masala.
Dennoch habe es ihn irritiert, dass Merz die Kertschbrücke als Ziel explizit erwähnt, sagt der Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München. Er glaubt, dahinter könnte kommunikatives Kalkül stecken.
Für Masala lautet die entscheidende Frage nämlich, mit welchen Einschränkungen Deutschland den Taurus liefern würde. „Im Fokus der Debatte stand schon länger nicht mehr die Kertschbrücke, sondern Ziele in Russland“, so Masala. Mit seiner Reichweite von mehr als 500 Kilometern könnte die Ukraine selbst Moskau angreifen, so die Befürchtung von Kritikern.
„Merz‘ Äußerung zur Kertschbrücke könnte darauf hindeuten, dass er den Taurus liefern will, aber für nicht Angriffe auf russisches Territorium“, sagt Masala. „So interpretiere ich sein kommunikatives Vorgehen.“
Inhaltlich bleibe Merz seiner Linie dabei treu, sagt Masala. „Er hat immer gesagt, dass er den Taurus liefern würde, aber nicht definitiv, sondern nur in Abstimmung mit den Verbündeten. Er will den Eindruck verhindern, dass Deutschland unilateral handelt und damit Briten und Franzosen vor den Kopf stößt. Er lässt sich so aber auch eine Hintertür auf.“
Dass Russland sich vor dem Taurus in ukrainischen Händen fürchtet, zeigt die jüngste Reaktion aus Moskau auf die Äußerungen von Merz. So bezeichnete Kremlsprecher Dmitri Peskow eine mögliche Lieferung des Taurus als „weitere Eskalation“ des Konflikts. In der EU lösten Merz‘ Äußerungen dagegen positive Reaktionen aus. EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas sagte: „Natürlich gibt jeder Mitgliedstaat, was er geben kann, aber ich denke, die Botschaft ist sehr klar“, so die EU-Außenbeauftragte. „Wir müssen mehr tun, damit die Ukraine sich selbst verteidigen kann und die Zivilisten nicht sterben müssen.“