Der AfD-Vorstand will den Bericht über ein Treffen von AfD-Politikern mit Rechtsextremen herunterspielen und geht zum Gegenangriff über. Doch er verfängt sich in Widersprüchen.

Alice Weidel gibt sich entspannt, als sie am Dienstagnachmittag im Bundestag vor die Journalisten tritt. „Ist so voll heute, total überraschend“, sagt sie mit Blick auf die gut ein Dutzend Kameras, die auf sie und Tino Chrupalla gerichtet sind. „Ist was passiert?“ Sie lacht.

Auf das Statement, das die AfD-Chefin vor der wöchentlichen Sitzung der Fraktion abgeben wird, warten viele mit großer Spannung. Das gilt nicht nur für die Presse, sondern auch für Vertreter von Weidels eigener Partei, wie sich an der ungewöhnlich großen Anzahl von AfD-Abgeordneten zeigt, die sich dazugesellen: Stephan Brandner, Gottfried Curio, Stephan Protschka, Beatrix von Storch, Joachim Wundrak, Hannes Gnauck – sie alle wollen mit eigenen Ohren hören, was Weidel zu sagen hat.

Denn passiert ist in der vergangenen Woche viel: Das Recherchekollektiv „Correctiv“ hat öffentlich gemacht, dass sich AfD-Politiker – darunter Weidels persönlicher Referent Roland Hartwig sowie Landtags- und Bundestagsabgeordnete – im November unter anderem mit dem Rechtsextremisten Martin Sellner, Kopf der vom Verfassungsschutz beobachteten „Identitären Bewegung“, in Potsdam getroffen haben. Dort sollen unter anderem Pläne besprochen worden sein, wie man Millionen Menschen – auch solche mit deutschem Pass – aus Deutschland vertreiben könnte.

In der AfD sind solche Gedanken seit Jahren weit verbreitet, in der Öffentlichkeit aber ist der Aufschrei erst jetzt groß. Weidel scheint daraus am Montagabend Konsequenzen gezogen zu haben: Der Vertrag mit Hartwig werde aufgelöst, „mit sofortiger Wirkung“ und – angeblich – „in gegenseitigem Einvernehmen“, wie ihr Sprecher mitgeteilt hat. Doch ihre Partei begehrt gegen diese Entscheidung auf: Viele finden diese Entscheidung falsch, schwach, sogar erbärmlich.

Super-GAU mit Blick auf den Verfassungsschutz

Deswegen ist das Statement heute für Weidel ein gefährlicher Drahtseilakt: Wie sehr beugt sie sich dem Druck der Öffentlichkeit, der Presse, der Angst vor dem Verfassungsschutz? Und wie sehr kuscht sie vor den extremen Kräften, die ihre Partei schon lange dominieren?

Aus Sicht von Presse, Verbänden, Wirtschaftsvertretern und Politikern aller anderen Parteien ist die Lage klar: Eindeutig rechtsextrem war die Besetzung des Treffens in Potsdam im November und die dort besprochenen Pläne für Massendeportationen auch von deutschen Staatsbürgern. Und offensichtlich verfassungswidrig. Das Treffen dürfte deswegen auch ein klarer Fall für den Verfassungsschutz sein, gegen dessen Einstufung als „rechtsextremer Verdachtsfall“ sich die AfD-Spitze vor Gericht wehrt. In wenigen Wochen soll das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Münster in die nächste Runde gehen.

Nicht nur AfD-Politiker, sondern auch noch Weidels rechte Hand, auf frischer Tat ertappt bei der Vernetzung mit Rechtsextremisten, die auf der pro forma geführten Unvereinbarkeitsliste der Partei stehen – das ist rein juristisch und aus PR-Perspektive zu diesem Zeitpunkt der Super-GAU für die AfD. Dem Bundesvorstand ist das wohl bewusst, am Montagabend haben sie in ihrer Sitzung darüber diskutiert.

Weidels Distanzierung? „Erbärmlich“, heißt es in der AfD

In der Partei aber sieht man das – an der Basis ebenso wie bei Amtsträgern in hohen Funktionen – in der großen Mehrheit anders. Hier dominiert nicht die öffentliche Meinung, hier herrscht die Gegenöffentlichkeit. Hier hat man keine Probleme mit den Deportationsplänen oder mit dem Sellner-Treffen, viele in der AfD pflegen solche Kontakte schließlich selbst, beschäftigen sogar Mitglieder der „Identitären Bewegung“.

Stattdessen ärgert man sich in der AfD mit Blick auf Hartwigs Entlassung über Weidels Schwäche, über ihr Einknicken vor der „Systempresse“ und dem „linksgrünversifften Mainstream“. Über „vorauseilenden Gehorsam“, „ganz ohne Not“, schimpfen Flügel-Vertreter – und darüber, dass der Bundesvorstand der Lage nicht gewachsen sei. „Erbärmlich“, heißt es da, oder: „Nicht nachzuvollziehen.“

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