Finanzen
Klingbeils Pläne: Zwei Haushalte, 170 Milliarden Schulden
Aktualisiert am 23.06.2025 – 16:33 UhrLesedauer: 4 Min.
Finanzminister Klingbeil legt seinen ersten Etat vor. Die Schwerpunkte sind klar. Neue Schuldenspielräume dürften so manchem potenziellen Streit vorgebeugt haben.
Am Streit über ein paar Milliarden Euro im Bundeshaushalt ist vor wenigen Monaten die Ampel-Koalition zerbrochen. Jetzt hat Finanzminister Lars Klingbeil genau diesen Etat ohne größeren Regierungszoff aufgestellt. Mit hohen Schulden will er in Verteidigung investieren, die Infrastruktur modernisieren und Deutschlands Wirtschaft auf Wachstumskurs bringen. Alles ohne größere Finanzierungslücken, wie aus den der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Plänen hervorgeht. Dass das so geräuschlos vonstattenging, liegt aber wohl weniger am Verhandlungsgeschick des neuen Vizekanzlers.
Im Unterschied zur Ampel-Koalition kann Klingbeil nämlich viele Milliarden Euro Kredite aufnehmen – und das nutzt er auch aus. In diesem und im kommenden Jahr plant der SPD-Politiker allein im Kernhaushalt mit zusammen 170 Milliarden Euro neuen Schulden. Standen 2024 noch Kredite von 33,3 Milliarden zu Buche, sollen es in diesem Jahr weit mehr als doppelt so viel sein: 81,8 Milliarden – und 2026 dann 89,3 Milliarden.
Hinzu kommen Gelder, die an der Schuldenbremse vorbei aus kreditfinanzierten Sondertöpfen fließen: in diesem Jahr 61,3 Milliarden, im nächsten 83,4 Milliarden. Damit käme man insgesamt in diesem Jahr auf neue Schulden von rund 143 Milliarden Euro und im nächsten Jahr von mehr als 170 Milliarden.
Möglich wird all das, weil das schwarz-rote Bündnis von Kanzler Friedrich Merz (CDU) noch vor der Kanzlerwahl für eine Lockerung der Schuldenbremse und einen 500 Milliarden Euro schweren Sondertopf für Infrastruktursanierung sorgte.
Klingbeil ebne damit den Weg in eine beispiellose Verschuldung, kritisierte der Haushälter der Linken, Dietmar Bartsch. „Allein die Zinszahlungen drohen zu einem unbeherrschbaren Problem zu werden.“ Dabei gehe es zu wenig um Zukunft und Zusammenhalt, sondern vor allem um Rüstung.
Für Klingbeil war es ein Kaltstart. Noch keine zwei Monate im Amt muss er bereits zwei Haushalte vorlegen: Zuerst den für das laufende Jahr, den die Ampel nicht mehr fertig bekam. Seit Jahresbeginn müssen sich die Ministerien deshalb auf das Wichtigste beschränken. Parallel laufen die Arbeiten am Etat für 2026, der ebenfalls noch vor der Sommerpause im Juli auf den Weg gebracht werden soll.
Die Gespräche mit seinen Ministerkollegen führte Klingbeil anders als sein Vorvorgänger Christian Lindner allein, ohne Kanzler am Tisch. Angenehm dürften sie kaum gewesen sein, denn fast alle Vorhaben im Koalitionsvertrag stehen unter Finanzierungsvorbehalt – und natürlich hält jedes Ministerium seine Projekte für wichtig. Es heißt, die in der Finanzplanung bis 2029 angemeldeten Wünsche der neuen Minister hätten Klingbeils Pläne um rund 50 Milliarden Euro gesprengt. Der Vizekanzler habe „das abgewendet“ und seine Kollegen runtergehandelt.
Der Etatentwurf für dieses Jahr und erste Pläne für 2026 sollen an diesem Dienstag im Kabinett beschlossen werden. In diesem Jahr will Klingbeil 503 Milliarden Euro ausgeben, etwa sechs Prozent mehr als im vergangenen Jahr. 2026 soll das Etatvolumen dann auf 519,5 Milliarden Euro steigen.
Allein für Bundeswehr, Bevölkerungsschutz, Nachrichtendienste und Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten wie die Ukraine sind in diesem Jahr 75 Milliarden Euro vorgesehen. Bis 2029 sollen die Ausgaben in diesen Bereichen auf fast 170 Milliarden Euro anwachsen.
Ohne die Lockerung der Schuldenbremse wäre das nur schwer zu finanzieren gewesen. Doch die Grundgesetzänderung ermöglicht es Deutschland, theoretisch unbegrenzt viel Geld in diese Bereiche stecken. Nach Berechnungen des Finanzministeriums werden dort in diesem Jahr 32,1 Milliarden durch neue Kredite finanziert.
Insgesamt erreicht Klingbeils Entwurf 2025 eine Nato-Quote von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – und erfüllt damit die Vorgabe von zwei Prozent. In den kommenden Jahren sollen die Ausgaben schrittweise steigen, bis auf 3,5 Prozent im Jahr 2029. Damit berücksichtigt der Vizekanzler in seinen Plänen schon jetzt, was in dieser Woche voraussichtlich auf dem Nato-Gipfel beschlossen wird: Die Alliierten wollen die klassischen Militärausgaben auf mindestens 3,5 Prozent des BIP hochfahren und zusätzlich in militärisch nutzbare Infrastruktur investieren, so dass insgesamt 5 Prozent zu Buche schlagen.