Vor 50 Jahren gegründete Thailand sein erstes Meeresschutzgebiet: Tarutao. Massentourismus gibt es hier nicht – was auch mit Piraterie zusammenhängt.

Dicht an den Sandstrand reicht der schier undurchdringliche Dschungel. Im Reich aus meterhohen Bäumen, Lianen und Tropenpflanzen zirpt, surrt und kreischt es. Es ist das pralle Leben. Was es im Sand in der Bucht von Pante Malacca nicht zu sehen gibt: Fußabdrücke. Weit und breit keine Menschenseele. Hotelanlagen und Strandbars? Fehlanzeige! Die einzigen Begleiter: Krebse und Affen.

Ko Tarutao im äußersten Südwesten Thailands ist ein Inseltraum, der es in jedes einschlägige Bilderbuch schaffen würde. Aber nach einem Tag alleine am Strand ist das so oft ersehnte Robinson-Crusoe-Feeling fast schon gespenstisch.

150 Quadratkilometer Einsamkeit

Auf Ko Tarutao stellt sich schnell das Gefühl ein, gestrandet zu sein. Das ist nicht jedermanns Sache. Zum Sonnenuntergang gibt es keine Gin Tonics und Chillout-Musik. Aber für absolute Ruhe und Naturfreaks ist Ko Tarutao perfekt. In einer globalisierten Welt sind solche Orte selten geworden. Vor allem in Thailand, wo selbst kleinste Aussteiger-Spots schnell den Status „Geheimtipp“ verlieren.

Umso überraschender: Ko Tarutao liegt zwar recht abgelegen in der Andamanensee an der Grenze zu Malaysia, ist mit 150 Quadratkilometern aber alles andere als klein. Das Eiland ist 26 Kilometer lang, 11 Kilometer breit und damit sogar die viertgrößte Insel des Landes. Warum also ist selbst Thailand-Fans Ko Tarutao oft kein Begriff und ein solches Naturidyll geblieben?

Thailands erstes Meeresschutzgebiet

Die Antwort liegt 50 Jahre zurück. Am 19. April 1974 wurde hier Thailands erster Meeresnationalpark errichtet. Er besteht aus 51 Inseln in der südlichen Andamanensee, verteilt auf einer Fläche von 1450 Quadratkilometern. Neben Ko Adang und Ko Rawi ist Ko Tarutao die größte Insel im Park, die diesem auch den Namen gab.

Bei vielen Inseln wie Ko Khai mit ihrem natürlichen Felsentor, das zum Parksymbol wurde, handelt es sich um unbewohnte kleine Eilande. Ideale Refugien zum Beispiel für Meeresschildkröten, die hier ihre Eier legen. An den Riffen mit seltenen Korallenarten leben Delfine, Wale und Seekühe. Auf den Inseln selbst sind Makaken, Warane, Reiher, Wildschweine, Tukane und Pythons heimisch.

„Da auf diesen abgelegenen und schwer zugänglichen Inseln kaum Menschen lebten, war die Tier- und Pflanzenwelt hier schon vor 50 Jahren unberührter als auf anderen Inselgruppen“, sagt Park-Ranger Bonkhun Rarueng. Dies ist der Grund, aus dem gerade hier ein Meeresnationalpark eingerichtet wurde.

Insel war ein Verbannungsort für Sträflinge

Zudem ist die gebirgige Insel, deren höchster Gipfel 708 Meter misst, von dichtem Regenwald und Kalksteinfelsen bedeckt, was Landwirtschaft praktisch unmöglich macht. Doch es gibt einen weiteren Grund, warum eine so große Insel nicht bevölkert wurde, wie etwa der südliche Inselnachbar, das malaysische Pulau Langkawi: Tarutao wurde einst zum Verbannungsort erklärt. 1939 machte die Regierung in Bangkok sie zur Gefängnisinsel.

„Hier kamen damals die Gefangenen an“, sagt Rarueng nach einer Fahrt auf dem Motorrad durch dichten Dschungel und einem anschließenden Fußmarsch zur Talo Wao-Bucht an der Ostküste. Strafkolonien wurden auch in der Talo Udang-Bucht am südlichen Zipfel der Insel errichtet.

Vom Pier führt der Ranger auf dem „Historical Trail“ zu den Überresten der Strafkolonie. Holzbaracken, ein Gouverneurshaus, ein kleines Hospital – alles längst vom Dschungel überwuchert und zerstört. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs kümmerte sich die Regierung nicht mehr um Tarutao. Der Lebensmittelnachschub vom Festland wurde eingestellt. „Gefangene wie Wächter litten Hunger und wurden schließlich zu Piraten, die in der viel befahrenen Meerstraße von Malakka Handelsschiffe angriffen und plünderten“, sagt Rarueng.

Damit provozierten sie die See- und Handelsmacht Großbritannien. Doch die unwegsame Dschungelinsel diente als gutes Versteck. Erst 1964 konnte die britische Royal Navy der Piraterie ein Ende setzen.

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