Frauen sind in den Medien unterrepräsentiert, wenn es darum geht, als Expertinnen aufzutreten. Warum das so ist, beleuchtet ein neuer Bericht.
Es gab in den vergangenen Jahrzehnten viele Fortschritte bei der Geschlechtergleichstellung – und dennoch sind Frauen auch heute in vielen Bereichen des Lebens weiterhin stark unterrepräsentiert. So auch, wenn es um ihre Präsenz in den Medien geht.
Laut Daten des Weltwirtschaftsforums (WEF) stammen weltweit weniger als 24 Prozent der Expertenstimmen, die in Medienberichten zitiert werden, von Frauen. Nur etwa 31 Prozent der weltweit bezahlten öffentlichen Redner sind weiblich, berichtete „Forbes“ im vergangenen Jahr. Das Erreichen der Geschlechterparität wird beim derzeitigen Tempo der Veränderungen noch einige Zeit dauern – 131 Jahre laut einer Schätzung des WEF von 2024.
Doch was genau hindert Frauen daran, sich selbst als Expertinnen anzuerkennen? Die bisherige Forschung hat bereits einige Hintergründe des Phänomens untersucht. So fanden Wissenschaftler heraus, dass Frauen oft zögern, ihr Fachwissen weiterzugeben, da sie Zweifel haben, ob sie tatsächlich die geeignetste Person dafür sind. Auch machen Frauen sich offenbar öfter Sorgen darüber, wie sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.
Eine neue Studie aus Australien beleuchtet nun einen weiteren Aspekt: die Beziehung von Frauen zum Begriff „Expertin“. Der Bericht „Hidden Figures – Where are all the female experts?“ zeigt, dass die Selbstwahrnehmung von Frauen in Bezug auf dieses Wort entscheidend dafür ist, ob sie sich selbst als Expertin bezeichnen.
Frauen verbinden den Begriff „Expertin“ demnach mit negativen Assoziationen wie Arroganz oder auch einer Überbewertung von Fähigkeiten. Sie sehen sich erst dann als Expertin, wenn sie ein Gefühl von „Genugsein“ erreichen – ein Standard, der für viele unerreichbar bleibt. Zudem fehlt es an sichtbaren weiblichen Rollenvorbildern. Der Bericht betont, dass Frauen sich schwer vorstellen können, selbst Expertinnen zu werden, wenn sie keine anderen Frauen in solchen Positionen sehen.
Der Bericht identifiziert insgesamt vier Faktoren, die Frauen davon abhalten, sich selbst als Experten zu positionieren:
Frauen fühlen sich unwohl mit dem Begriff „Expertin“, weil er oft mit Arroganz und Wichtigtuerei assoziiert wird. Sie befürchten, als überheblich oder egozentrisch wahrgenommen zu werden. Diese Gedankenverbindungen lösen bei Frauen Unsicherheiten aus und hindern sie daran, sich selbst als Expertinnen zu sehen oder als solche öffentlich aufzutreten.
Frauen haben dem Report zufolge das Gefühl, dass sie erst dann als Expertinnen auftreten können, wenn sie „genug“ Wissen oder Qualifikationen haben. Dieses Perfektionismusdenken hält sie zurück, obwohl sie oft bereits ausreichend Expertise besitzen. Sie warten darauf, sich vollständig vorbereitet zu fühlen, bevor sie sich öffentlich als Expertinnen positionieren wollen.
„Ich möchte nicht als Expertin gesehen werden. Ich habe das Gefühl, dass ich immer noch lerne. Der Begriff Expertin lässt mich denken, dass es jemanden beschreibt, der alles weiß. Und ich habe nie das Gefühl, alles zu wissen. Der Begriff scheint endgültig und festgelegt zu sein“, beschreibt eine der befragten Frauen, die auch einen Doktortitel trägt, ihre innere Zerrissenheit.
Frauen haben Angst vor den Meinungen anderer Menschen und fürchten Kritik, wenn sie sich als Expertinnen darstellen. Diese Angst vor negativen Reaktionen – auch als „Fear of Other People’s Opinions“ (FOPO) bezeichnet – führt zu Unsicherheiten und hält Frauen davon ab, sich als Expertinnen zu präsentieren.
Frauen fehlen vielfältige weibliche Vorbilder, die ihnen zeigen, dass es möglich ist, Expertinnen zu sein. Ohne sichtbare Expertinnen, die ähnliche Hintergründe oder Lebenssituationen haben, fällt es ihnen schwer, sich selbst als Expertinnen zu sehen. Dies verstärkt das Gefühl, dass sie keine Vorbilder haben, denen sie nacheifern können.
Die Untersuchung hebt hervor, dass Experten gemacht und nicht geboren werden. Dies bedeutet, dass jeder Mensch eine Verantwortung trägt, dazu beizutragen, diese signifikante Ungleichheit zu überwinden. Die geringere Präsenz demnach dazu, dass Themen, die Frauen betreffen, oft nicht genug beachtet werden.
„Zu meiner Überraschung sind die Stimmen der Frauen in einflussreichen Positionen im Jahr 2024 weltweit immer noch stark unterrepräsentiert. Wenn Frauen nicht lernen, den Vorteil zu nutzen, sichtbar zu Expertinnen zu werden: um die Wirkung zu erzielen, die sie anstreben, werden wir niemals die Geschlechterparität erreichen und unsere Fähigkeit, eine mitfühlende und integrative Gesellschaft zu gestalten, wird im Keim erstickt“, schreibt die Autorin des Berichts, Penny Locaso, die für ihren Bericht Interviews mit 21 Frauen aus verschiedenen Branchen und kulturellen Hintergründen im Alter von 26 bis 56 Jahren geführt hat.