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Mit Blick auf eine Rentenreform bleibt die neue Regierung vage. Zwei Gesetzesvorhaben wurden zuvor auf der Zielgeraden gestoppt. Ein Experte erklärt, warum sich die Politik so schwertut – und wo Deutschland dringend hinmüsste.

Dass die umlagefinanzierte gesetzliche Rente mit dem demografischen Wandel an ihre Grenzen stößt, ist gemeinhin bekannt: Ökonomen warnen seit Jahren davor. Und die Statistiken zeigen, dass längst nicht alle betrieblich und privat vorsorgen, um ihre Rentenlücke zu schließen. Wer von Alters wegen in Rente geht, erhielt 2023 im Schnitt 1.100 Euro. Und es könnte weniger werden.

Doch wenn es um die Reform der Rente geht, scheint eine parteiübergreifende, langfristige Lösung schwer: Mit Mütterrente und Frühstart-Rente setzt die schwarz-rote Koalition kleine Impulse, doch der große Wurf, also konkrete Reformvorhaben, bleibt aus (lesen Sie hier mehr dazu). Warum sich die Politik so schwertut und wo Deutschland dringend hinmüsste, erklärt der Finanzexperte Thomas Soltau im Interview mit t-online.

t-online: Herr Soltau, die Ampelkoalition hat es in den vergangenen drei Jahren nicht geschafft, bei der Rente nennenswerte Reformen anzustoßen – obwohl vieles geplant war, unter anderem das Generationenkapital. Wie bewerten Sie das?

Thomas Soltau: Das ist historisch enttäuschend. Schon in den 80er-Jahren hat Norbert Blüm plakatiert: „Die Rente ist sicher“. Das macht man nicht, wenn sie es tatsächlich ist. Es war also längst bekannt, dass wir ein strukturelles Problem haben. Seither gab es mehrere Versuche, um die Rente zu sichern, etwa die Riester-Rente, die aber aus heutiger Sicht gescheitert ist. Wir geben jedes Jahr rund 3,5 Milliarden Euro an Steuern für das Rentensystem aus – ohne dass es wirklich nachhaltige Wirkung zeigt. Die Einzigen, die davon profitieren, sind die Versicherungskonzerne.

(Quelle: t-online)

Thomas Soltau ist Vorstand der Smartbroker AG – neben Trade Republic und Scalable Capital einer von Deutschlands bekanntesten Neo-Brokern. Von März 2022 bis zum Bruch der Ampel war der gelernte Bankkaufmann im Digital Finance Forum des Bundesfinanzministeriums als Beirat tätig und diskutierte die Reform der Altersvorsorge in Deutschland auf hoher politischer Ebene mit.

Doch es ist so. Es ist dramatisch, dass wir Jahr für Jahr Zeit verschenken. Jede unterlassene Reform kostet uns nach hinten hinaus Milliarden. Dabei hätte die Ampelregierung die Chance gehabt zu handeln. Besonders bitter ist, dass ein Reformpaket schon auf der Zielgeraden war.

Sie sprechen vom Rentenpaket II, das unter anderem das Generationenkapital – also den Aufbau eines Aktienkapitals bei der gesetzlichen Rente – enthielt, und von der Reform der privaten Altersvorsorge.

Richtig. Zwei, drei Wochen später hätte das Ganze durchs Parlament gehen können. Stattdessen ist es auf der letzten Strecke gescheitert. Ich bin maßlos enttäuscht.

Wird es denn der Regierung unter Kanzler Merz gelingen, einen großen Wurf in der Rentenpolitik zu landen?

Ich hoffe es, bleibe aber skeptisch. Mich hat eine Aussage von Lars Klingbeil irritiert: Er sagte, das Finanzministerium solle künftig als „Investitionsministerium“ verstanden werden. Da bekomme ich Gänsehaut.

Der Staat muss gewisse Zukunftsbereiche fördern – Digitalisierung, Bildung und die Infrastruktur dazu bereitstellen. Auch Verteidigung gehört dazu. Klingbeil meint oft genug nur kurzfristige, teils dringende Investitionen. Und oft auch Wahlgeschenke. Gemeint ist sicherlich nicht, dass Kapital in einen Kapitalstock investiert wird, um eine Basis für die Zukunft zu legen.

Und was verstehen Sie unter Investitionen?

Für mich zählt die Rente auch zu den Zukunftsinvestitionen. Ich erwarte vom Staat, dass er den Kapitalmarkt stärkt – durch eigene Investitionen und durch Förderung für private Vorsorge. Dass wir ein massives Problem in der gesetzlichen Rente haben, ist längst bekannt. Es braucht den Kapitalstock, um mittelfristig gegenzusteuern.

Thomas Soltau im Gespräch mit t-online: Der Smartbroker-Chef fordert ein beherzteres, parteiübergreifendes Agieren bei der Rente. (Quelle: t-online)

Warum tut sich Deutschland denn beim Thema Altersvorsorge so schwer?

Das zentrale Problem ist die fehlende Ehrlichkeit in der Kommunikation.

Die Politik hat bei der Einführung von Riester Anfang der 2000er durchaus signalisiert, dass die gesetzliche Rente nicht ausreichen wird. Aber sie hat es nie so klar gesagt, wie es nötig gewesen wäre: ‚Ihr müsst das machen, ihr habt keine Wahl.‘ Das Thema ist sozialer Sprengstoff.

Immerhin sprechen wir von Millionen Menschen, die eine sichere Rente erwarten.

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