Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm attestiert der Ampel bei „Markus Lanz“ eine „schwache Transformationspolitik“. Kevin Kühnert räumt mit einem Missverständnis auf.
Die Ökonomin Veronika Grimm fordert die Bundesregierung bei der Wirtschaftspolitik zu einer raschen Kurskorrektur auf. Die gegensätzlichen Interessen der Koalitionäre führten zu Kompromissen, die „letztlich dazu führen, dass der Markt nicht richtig funktioniert, aber die Interventionen auch nicht kraftvoll genug sind“, kritisierte eine der fünf sogenannten Wirtschaftsweisen am Mittwochabend bei „Markus Lanz“. Das Ergebnis sei eine „sehr, sehr schwache Transformationspolitik, weil natürlich auch die Akteure am Markt dadurch verunsichert“ seien.
Die Gäste
- Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär
- Veronika Grimm, Wirtschaftsweise
- Martina Nighswonger, Unternehmerin
- Daniel Sturm, „Tagesspiegel“
„Das ist schon echt ein Problem“, kritisierte Grimm speziell die Aussage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die grüne Transformation könne in Deutschland für ein neues „Wirtschaftswunder“ sorgen. Die Professorin von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg stellte ein solches Versprechen infrage. Berechnungen hätten vielmehr gezeigt, dass in diesem Jahrzehnt nur noch ein Wirtschaftswachstum von 0,4 Prozent zu erwarten ist. Das entspreche einem Drittel des Wachstums während der 2010er-Jahre. „Wir brauchen sehr viele Reformen, um da wieder aus dem Quark zu kommen“, sagte Grimm und nannte insbesondere eine Rentenreform.
Kühnert stellt bei Lanz was klar
An wohltönenden Versprechen der Bundesregierung stieß sich bei Lanz auch die Unternehmerin Martina Nighswonger. Die Chefin des mittelständischen Chemieunternehmens Gechem mit 160 Mitarbeitern monierte gut gemeinte Gesetze, die aber an der Lage nichts ändern würden. So gebe es durch ein Kita-Gesetz nicht plötzlich mehr Erzieher. „Nur versprechen ‚Alles bleibt gut‘, das funktioniert nicht“, betonte Nighswonger. Da kam für die Mitglieder der Runde überraschend Einspruch von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert.
„Niemand hat das versprochen“, warf Kühnert zum „Alles bleibt gut“-Vorwurf ein. „Wenn der Eindruck entsteht, nehme ich das ernst“, fügte er hinzu. „Natürlich entsteht der Eindruck, was denn sonst?“, meinte Lanz. „Niemand hat das gesagt“, bekräftigte Kühnert. „You’ll Never Walk Alone?“, entgegnete der ZDF-Moderator. „‚Keine Sozialkürzungen'“, verwies Daniel Sturm vom „Tagesspiegel“ auf ein anderes Versprechen von Scholz und fügte hinzu: „Das ist doch Politikverweigerung.“
„‚Du wirst nicht alleine gehen‘ heißt natürlich nicht, dass wir in einer Puppenstube leben und sich nichts ändert“, sagte Kühnert. Ihm zufolge hatte der Kanzler damit ausdrücken wollen, dass die Regierung Krisen so gut wie möglich für die Menschen abfedern will. Er sah keine Chance für die Forderung von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), den Solidaritätszuschlag abzuschaffen. Das würde rund 7,5 Milliarden Euro kosten, Lindner sage aber nicht, wo das Geld herkommen solle, meinte Kühnert. Angesichts einer Lücke von 25 Milliarden Euro im Haushalt 2025 sagte der Sozialdemokrat: „Das wird nicht funktionieren.“
Ähnlich pessimistisch zeigte sich der SPD-Generalsekretär zum Vorschlag von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) nach einem Sondervermögen für Investitionen. Die Idee sei an die Union gerichtet gewesen, da deren Zustimmung für eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag nötig sei. „Das ist wahrscheinlich das, was man gemeinhin ein vergiftetes Angebot nennt“, urteilte Kühnert. Denn die Union werde so etwas nicht zustimmen.
Wo bleibt bei alldem der Kanzler?, fragte Lanz wiederholt am Mittwoch. Sturm sprach von einer „Chaos-Regierung, die Herr Scholz anführt, ohne zu führen“. Der Leiter des „Tagesspiegel“-Hauptstadtbüros geriet beim Thema „Frühverrentung“ mit Kühnert aneinander und forderte einen Konsens, der allen wehtun müsse. „Ich höre sehr viel Dogmen und Doktrinen“, sagte der Journalist. „Es müssen jetzt alle Zugeständnisse machen.“
Firmenchefin fordert Führung von Ampel
Unternehmerin Nighswonger forderte ebenfalls einen Masterplan mit klaren Prioritäten und einer eindeutigen Richtung. „Und dann machen, bitte“, verlangte sie. „Das hat mit Führung zu tun.“ Die Firmenchefin, die laut ZDF 27 Jahre bei der Deutschen Bank gearbeitet hat und einst SPD-Mitglied war, berichtete bei „Markus Lanz“, was Bürokratie in ihrem Alltag für gravierende Auswirkungen hat.