BDI-Präsident Russwurm warnt vor einer langen Wirtschaftsflaute. Und erklärt, was die Ampel nun tun muss, damit Deutschland nicht den Anschluss verliert.

Es waren harte Worte, die Siegfried Russwurm kürzlich für die Kanzlerschaft von Olaf Scholz fand. Von „zwei verlorenen Jahren“ sprach der Präsident des mächtigen Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. Ein Grund für seinen Ärger: Der Kanzler, so beklagen es auch andere Verbandsvertreter, scheint die Sorgen der Unternehmen nicht ernst genug zu nehmen, oft bügle er sie ab mit dem Satz: „Die Klage ist das Lied des Kaufmanns.“

Kommenden Montag treffen Russwurm und Scholz erstmals wieder zu zweit aufeinander. Der Kanzler reist zur Eröffnung der Hannover-Messe an, Deutschlands wichtigster Industrieschau. t-online hat vor dem Großevent mit Russwurm gesprochen – über die richtige Wirtschaftspolitik, den aktuellen Konjunkturausblick und die anstehenden Wahlen in Deutschland, Europa und den USA.

t-online: Herr Russwurm, Kanzler Olaf Scholz war vergangene Woche mit einer großen Wirtschaftsdelegation in China. Wie sehr bedauern Sie, dass Sie nicht dabei waren?

Siegfried Russwurm: Überhaupt nicht. Es hat eine lange Tradition, dass der Vorsitzende des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft Delegationen nach China anführt, in dem Fall also Siemens-Chef Roland Busch. Das war ein ganz normales Prozedere. Eine darüber hinausgehende Teilnahme des BDI war nicht geplant.

Sind Sie denn zufrieden mit dem, was der Kanzler für die Wirtschaft in Fernost erreicht hat?

Die positive Botschaft ist: Es gab konstruktive Gespräche, was in der aktuellen Zeit nicht selbstverständlich ist. Sind deshalb alle Probleme der deutschen Wirtschaft mit China gelöst? Nein, sicher nicht. Aber es ist immer besser, miteinander statt übereinander zu reden.

Sie haben sich unlängst ungewöhnlich scharf über Scholz geäußert, es wirkte, als sei das Tischtuch zwischen Ihnen beiden zerrissen. Wie frostig wird Ihr Treffen jetzt bei der Hannover-Messe?

Der Kanzler und ich haben uns erst kürzlich wieder getroffen und ausgetauscht. Wir verstehen jetzt beide besser, wo der jeweils andere unterschiedlicher Ansicht ist und warum. Wir sind dann das nächste Mal zur Eröffnung der Hannover-Messe zusammen. Darauf freue ich mich.

Das klang zuletzt aber noch anders.

Es gibt sachliche Differenzen. Der Kanzler argumentiert mit dem, was die Ampelkoalition in den letzten beiden Jahren alles gemacht hat, um die deutsche Wirtschaft zu unterstützen. Dem will ich nicht widersprechen. Für uns ist aber entscheidend: Was kommt bei den Unternehmen an? Was spüren sie an Entlastungen und Standortverbesserungen? Da stützen die Daten der Wirtschaftsforschungsinstitute unsere Einschätzung des Stillstands. Wir haben jetzt vereinbart, dass wir die Gespräche fortsetzen, um zu überlegen, wie wir beide Perspektiven besser übereinanderbringen können.

Die Regierung ringt derzeit um den richtigen Kurs, um die Wirtschaft wieder flottzumachen. Trauen Sie der Ampel noch zu, dass ihr das gelingt?

Es ist allerhöchste Zeit, dass die Regierung den Schalter umlegt, wenn sich in den anderthalb Jahren bis zur nächsten Bundestagswahl noch signifikant etwas bessern soll. Der Ampel läuft die Zeit davon. Mein Appell ist deshalb: Die Bundesregierung muss beherzt und geschlossen handeln. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch. Sie müssen nur umgesetzt werden.

Ihre zehn Ideen für mehr Schwung in der Wirtschaft haben Sie schon vor einiger Zeit vorgestellt. Welche drei davon sind die wichtigsten für die Industrie?

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