Eine „Atmosphäre der Angst“, schlechte Arbeitsbedingungen, Mobbing: Die Vorwürfe, die Mitarbeiter gegen die Produktionsfirma Filmpool erheben, wiegen schwer. Es soll sogar einen Fall von Missbrauch gegeben haben.

Sie ist eine der großen deutschen TV-Produktionsfirmen, hat Sendungen wie „Barbara Salesch“, „Goodbye Deutschland“ und „Auf Streife“ herausgebracht. Filmpool Entertainment rühmt sich, Geschichten zu erzählen, wie es keiner tut: „authentisch, anders, packend“. Doch ausgerechnet im 50. Jahr des Bestehens werden schwerwiegende Vorwürfe gegen die Firma laut: Mitarbeiter klagen über eine „Atmosphäre der Angst“, schlechte Arbeitsbedingungen, Mobbing, sogar Machtmissbrauch soll es gegeben haben. Ein Format steht dabei im Fokus: „Berlin – Tag & Nacht“.

Die Daily-Soap startet am 12. September 2011. Als die erste Folge „Berlin – Tag & Nacht“ über die Bildschirme flimmert, läuft sie zunächst unter dem Radar. Doch schnell macht die Serie mit ihren schrillen Figuren und ihrer besonderen Art der Improvisation Schlagzeilen. Das Konzept, mit Laiendarstellern den Alltag der Hauptstadt zu erzählen, gilt als aufsehenerregend.

Junge Zuschauer goutieren das: Vor allem in den Jahren 2012 und 2013 werden bei den 14- bis 49-Jährigen starke Marktwerte von bis zu 16 Prozent erzielt. Namen wie Joe, Krätze oder „Ole ohne Kohle“ erlangen Bekanntheit. Auch wenn das Feuilleton das Format wahlweise als „unterirdisch“ oder „geschmacklos“ abstempelt: Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Billige Produktionen in Kombination mit guten Reichweiten zahlen sich in diesen Jahren aus, vor allem Privatsender füllen damit gerne ihr Programm-Portfolio.

Irgendwann folgt der Bruch. „Berlin – Tag & Nacht“, so der Eindruck heute, ist ein Format von gestern. Eine Erzählform, die von neuen TikTok-Videos oder besser inszenierten YouTube-Formaten abgelöst wird. Ein Auslaufmodell.

„Berlin – Tag & Nacht“: RTLzwei hat das Format seit 13 Jahren im Angebot. (Quelle: RTLzwei)

Inzwischen wurden weit über 3.200 Folgen der Impro-Soap ausgestrahlt. Doch das Ablegerformat „Köln 50667“ wird nur noch beim Streamingdienst RTL+ angeboten. Es „entsprach im linearen TV nicht mehr den Erwartungen“, sagt RTLzwei auf Anfrage von t-online. Wie lange die Macher noch mit der Muttersendung „Berlin – Tag & Nacht“ planen, sagt der Sender nicht. Auf Anfrage heißt es, das Format erfreue sich „seit über 13 Jahren […] großer Beliebtheit, sowohl im linearen TV, im Streaming bei RTL+ als auch auf unseren Social-Media-Kanälen“.

Negative Schilderungen über Arbeitsbedingungen, den Umgang miteinander und sogar sexuelle Belästigung erwecken allerdings den Eindruck, dass „Berlin – Tag & Nacht“ mehr als nur Reichweitenprobleme hat. t-online hat mit verschiedenen Beteiligten gesprochen. Die Kritik, die unter anderem auf Jobportalen öffentlich einsehbar ist, scheint sich zu bestätigen: Bei Filmpool Entertainment kommt es immer wieder zu Vorfällen, zu unangemessenem Verhalten.

Ein ehemaliger Angestellter schreibt im April 2024 auf dem Jobportal Kununu von einem „toxischen Arbeitsklima, das mich in die Depression getrieben hat“, und fügt an, es herrschten dort „Druck, Mobbing und Angst“. Die Person gibt an, bis 2017 „im Bereich Produktion bei Filmpool Entertainment GmbH in Hürth gearbeitet“ zu haben. Eine andere Ex-Angestellte spricht von „Wutausbrüchen und Respektlosigkeit“. Auch dort fällt der Begriff „Angst“.



Ich habe den Job wirklich gern gemacht und würde ihn auch jederzeit wieder machen, aber nicht mehr bei der Firma.


Martin wernicke


Martin Wernicke, der 13 Jahre lang als Basti eine der Hauptrollen spielte, sagte jüngst im Interview mit t-online, „die Rahmenbedingungen“ hätten ihn „unglücklich und teilweise sogar krank“ gemacht. „Druck“ und „Stress“ erwähnt auch er und formuliert mit Blick auf Filmpool: „Ich habe den Job wirklich gern gemacht und würde ihn auch jederzeit wieder machen, aber nicht mehr bei der Firma.“

Ein Eindruck, den auch Marius Müller* bestätigt. Von einer „Atmosphäre der Angst“ spricht er während eines zweistündigen Gesprächs mit t-online immer wieder. Er heißt eigentlich anders, traut sich aber nicht, mit seinen Klarnamen gegen seinen früheren Arbeitgeber auszusagen. Er wirft einem anderen „Berlin – Tag & Nacht“-Darsteller vor, ihn sexuell belästigt und genötigt zu haben. Bei der Berliner Polizei hat er ihn deshalb angezeigt. Die gibt auf Anfrage dazu keine Auskunft und verweist auf die „Wahrung von Persönlichkeitsrechten“. Doch t-online liegt das Aktenzeichen vor.

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