Im Gespräch mit t-online äußert sich Kai Wegner zur angespannten Finanzsituation der Bundesländer und formuliert einen Wunsch an die Bundesregierung.
Seit 2023 ist Kai Wegner Regierender Bürgermeister in der Hauptstadt, als erster CDU-Politiker seit Eberhard Diepgen. Im Interview spricht er über den Start der Merz-Regierung, die anstehende Ministerpräsidentenkonferenz, Kürzungen bei der Berliner Kultur und den Wahlkampf, der 2026 in Berlin schon wieder ansteht.
t-online: Herr Wegner, die Bundesregierung streitet über den richtigen Umgang mit Russland, über das Bürgergeld und über die Migrationspolitik. Man könnte fast meinen, die Ampel sei noch im Amt, oder?
Kai Wegner: Die neue Bundesregierung ist das Gegenteil der Ampel. Sie diskutiert, aber sie findet auch zu guten Lösungen – das ist der große Unterschied. Die ersten Wochen dieser neuen Bundesregierung unter Friedrich Merz stimmen mich sehr optimistisch, dass das Land nach vorn kommt. Wir haben wieder eine Regierung, die entschlossen die Probleme angeht. Deutschland ist wieder eine starke Stimme in Europa und in der Welt.
Aber schauen wir auf das Beispiel Migration, das für Ihre CDU ein wichtiges Wahlkampfthema war. Der SPD-Fraktionschef Matthias Miersch sagt jetzt, pauschale Zurückweisungen werde es nach der Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts nicht mehr geben können. Denken Sie das auch?
Zurückweisungen an den Grenzen wurden im Koalitionsvertrag mit der SPD verabredet. Der Innenminister geht diesen Weg sehr konsequent. Und das ist auch richtig. Alle Bundesländer haben parteiübergreifend übrigens schon im November 2023 einen Kurswechsel in der Migrationspolitik gefordert, nur hat die alte Bundesregierung das nie umgesetzt. Die neue Koalition in Berlin stellt jetzt sicher, dass Humanität und Ordnung wieder zusammengeführt werden. Denn klar ist: Nur mit Ordnung kann unsere humanitäre Verantwortung dauerhaft bestehen.
Kai Wegner wurde 1972 in Berlin geboren. Er wuchs in Spandau auf und trat 1989 in die CDU ein. 2011 bis 2016 war er Generalsekretär der Berliner CDU, seit 2019 ist er Landesvorsitzender. Nach 16 Jahren im Bundestag kehrte er 2021 ins Berliner Abgeordnetenhaus zurück. Seit dem 27. April 2023 ist er Regierender Bürgermeister von Berlin.
Die Bundesregierung beruft sich für die Zurückweisungen auf einen Artikel im Europarecht, der zur „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“ und zum „Schutz der inneren Sicherheit“ eine Ausnahme vom normalen Verfahren vorsieht. Sind Ordnung und Sicherheit in Berlin gerade gefährdet?
Wir erleben in Teilbereichen eine Überforderung: bei der Unterbringung der Geflüchteten, aber auch bei der Integration, im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt. Das ist eine Situation, die wir nicht nur in Berlin haben. Alle Ministerpräsidenten schildern, dass ihre Länder und Kommunen überfordert sind. Es gibt zwar gerade eine Entlastung durch geringere Ankunftszahlen, aber trotzdem kommen noch täglich Geflüchtete zu uns. Deshalb muss dieser Weg, die irreguläre Migration zu stoppen, konsequent fortgesetzt werden.
Derzeit sehe ich noch keinen Anlass, dass Zurückweisungen eingestellt werden müssen.
Kai Wegner
Die Präsidentin des Berliner Verwaltungsgerichts, Erna Viktoria Xalter, hat beklagt, dass nach der Entscheidung ein Richter gezielt diffamiert worden sei, mit dem Ziel, Gericht und Justiz zu delegitimieren. Teilen Sie diese Kritik?
Das kann ich nicht beurteilen. Klar ist, dass wir unabhängige Gerichte haben und Urteile zu akzeptieren sind. Wir haben hier aber Einzelfallentscheidungen, und die Bundesregierung muss diese jetzt prüfen. Derzeit sehe ich noch keinen Anlass, dass Zurückweisungen eingestellt werden müssen. Aber natürlich müssen wir prüfen, ob Gesetzesänderungen in Deutschland oder in Europa notwendig sind, damit die Zurückweisungen rechtssicher sind.
Bund und Länder verhandeln gerade mal wieder übers Geld. Es ist eine Debatte, die sich regelmäßig wiederholt: Niemand will zu viel zahlen. Bis wann braucht es eine Lösung?
Es geht nicht ums Wollen, sondern ums Können. Die Bundesregierungen haben in der Vergangenheit immer wieder Beschlüsse gefasst, die die Haushalte der Länder belasten. Das will ich gar nicht nur der Ampel zuschreiben. Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem die Länder einfach nicht mehr können.
Heißt das, im Zweifel sollte es weniger dieser teuren Beschlüsse geben?
Ich finde die Maßnahmen der Bundesregierung zur Senkung der Energiekosten und der Steuern richtig. Aber sie werden eben auch den Berliner Landeshaushalt belasten, genau wie jeden anderen Landeshaushalt. Alle Bundesländer haben große Probleme bei der Haushaltsaufstellung, genau wie der Bund. Wir müssen hier zu einem Verfahren kommen, das die Lasten gerecht verteilt. Ich wünsche mir das Prinzip: Wer bestellt, der bezahlt.