Ein erschütterndes Verbrechen auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt: Taleb A. tötete mutmaßlich fünf Menschen, verletzte Hunderte. Wann begann seine Radikalisierung?
Es ist ein mögliches Tatmotiv, das es so bei einem Anschlag in Deutschland bisher nicht gegeben hat: „Unzufriedenheit mit dem Umgang mit saudi-arabischen Flüchtlingen“ gab Taleb A. den Ermittlern als Grund für seine Horrorfahrt über den Magdeburger Weihnachtsmarkt an, bei dem fünf Menschen getötet und mehr als 200 Menschen teils lebensgefährlich verletzt wurden.
Der 50-Jährige aus Saudi-Arabien fing als Aktivist in Deutschland an und scheint sich in jüngerer Zeit immer weiter radikalisiert zu haben: als Islamhasser, der die deutschen Behörden verachtet und mit der AfD sympathisiert.
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Taleb A. stammt aus Saudi-Arabien, in Deutschland lebt er seit 2006 und hat einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Ferner ist bekannt, dass er Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist. In seinem Heimatland studierte er Psychologie, bevor er nach Deutschland ging.
Taleb A. ließ sich im sachsen-anhaltinischen Bernburg nieder. Ein ehemaliger Patient des Mannes sagte einem t-online-Reporter: „Ich habe ihn als sehr ruhigen, in sich gekehrten Menschen wahrgenommen.“ Doch weiter: „Als Arzt kam er mir komisch vor, ich wollte zu einem anderen wechseln. Bevor er mir Medikamente verschrieben hat, hat er diese regelmäßig gegoogelt – das kam mir unseriös vor.“
Der Mann berichtete zudem, dass er nicht damit gerechnet habe, dass sich A. in einen Täter verwandeln würde. Aber er hat ihm angemerkt, dass er etwas wirr im Kopf sei.
Noch vor wenigen Jahren präsentierte sich A. als Aktivist, gab 2019 in Interviews an, Frauen aus Saudi-Arabien über das deutsche Asylsystem informieren zu wollen. Mit diesen Informationen sollten sie dann ihren Weg finden, um aus der Unterdrückung in die Freiheit zu kommen. A. war sehr aktiv in sozialen Netzwerken wie X (ehemals Twitter), betrieb zudem eine eigene Homepage.
Allerdings wurde seine Tätigkeit nicht nur positiv aufgefasst, wie „Correctiv“ berichtet. Insbesondere auf Frauen soll A. einen verstörenden Eindruck gemacht haben. Eine bekannte saudische Islamkritikerin, die in Köln lebt, gab gegenüber „Correctiv“ an, dass sie Anzeige gegen Taleb A. erstattet habe. Er habe sie beleidigt und bedroht.
Zwar lassen sich die Vorwürfe nicht unabhängig nachprüfen, doch auch „Correctiv“-Reporterin Shammi Haque teilte mit, dass sie diese Verhaltensweisen bei einer früheren Recherche selbst beobachtet habe.
Sie berichtete, dass Frauen A. als „komisch“ und „nicht vertrauenswürdig“ beschrieben. Haque hatte der Meldung zufolge mehrfach Kontakt zu Taleb A., der ihr Recherchethemen zu angeblichen Missständen vorschlug, jedoch keine glaubwürdigen Beweise vorlegen konnte.
„Correctiv“ zitiert zudem eine andere Frau mit der Aussage, Taleb A. habe Drohungen ausgesprochen und „Rache“ angekündigt: „Er behauptete, Frauen würden in Deutschland verfolgt.“ Einige Frauen fühlten sich von ihm sexuell bedrängt, wollten darüber jedoch aus Angst nicht öffentlich sprechen, heißt es in dem Bericht weiter. Auch diese Vorwürfe lassen sich nicht unabhängig prüfen.
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Tatsächlich war Taleb A. offenbar bereits vor Jahren straffällig geworden. Wie der „Spiegel“ berichtet, wurde der 50-Jährige am 4. September 2013 vom Amtsgericht Rostock wegen „Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten“ zu einer Strafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Diese Verurteilung spielte jedoch keine Rolle bei der späteren Gewährung seines Asylantrags.
Taleb A., der 2006 nach Deutschland kam, stellte erst 2016 einen Asylantrag mit der Begründung, er sei vom Islam abgefallen und habe ein Buch über seine Abkehr geschrieben. Laut dem „Spiegel“ erklärte er dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dass er „ein Buch darüber schreibe, warum der Islam als Religion keine Grundlage habe“.