Einst war er geachteter Chef des Verfassungsschutzes. Heute wird Hans-Georg Maaßen von seiner früheren Behörde im Bereich Rechtsextremismus gespeichert. Rekonstruktion einer Radikalisierung.

Es war ein Samstagvormittag im Februar 2019. Sonnenstrahlen fielen durch die Fenster des Kölner Hotels, als Hans-Georg Maaßen dort sein öffentliches Schweigen brach. Drei Monate zuvor war er als Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) entlassen worden. Von seiner alten Behörde sprach er aber nur gut bei seinem Vortrag vor der Werteunion. Der Verfassungsschutz sei „eine Art Frühwarnsystem“ der Regierung, sagte das CDU-Mitglied, ein „Brandmelder der Demokratie“.

Jetzt hat Maaßen seinen CDU-Mitgliedsausweis zerschnitten, er ist Vorsitzender der Werteunion und seine alte Behörde hat ihn im nachrichtendienstlichen Informationssystem als Rechtsextremisten gespeichert. In einem bislang einmaligen Vorgang ist der frühere oberste Verfassungsschützer zum Beobachtungsobjekt geworden. Für Maaßen ist der Verfassungsschutz jetzt nicht mehr der „Brandmelder der Demokratie“, er spricht stattdessen von einem „Missbrauch des Verfassungsschutzes zur Bekämpfung politischer Gegner“, „sogar von einem Angriff auf die freiheitlich demokratische Grundordnung“.

Wie konnte es nur so weit kommen?

Der Vorgang hat zusätzliche Brisanz, weil er kurz vor der geplanten Gründung der Werteunion als Partei bekannt geworden ist. Gerade läuft fieberhaft die kurzfristige Suche nach einer entsprechenden Halle für einen Parteitag, Bonn soll Wunschkandidat sein, ein Ort mit Symbolkraft, der für die Politik der alten Bundesrepublik von vor mehr als 30 Jahren steht.

Als die Mitgliederversammlung des Vereins Werteunion die Parteigründung am 20. Januar in Erfurt beschloss, raunte Maaßen, es werde „knallharte politische Feindbekämpfung gegen uns“ geben. Da hatte der Verfassungsschutz schon an ihn den Bescheid verschickt, der Maaßen Gewissheit lieferte: Er ist zum Fall für den Verfassungsschutz geworden.

Maaßens Aussagen lieferten nicht den Anlass

Die Information erreichte wenige Vertraute in seinem Umfeld, und der Verfassungsschutz informierte zuständige Abgeordnete in einer geheimen Sitzung des Bundestags. Sie wurde schließlich durch Recherchen des ARD-Politikmagazins „Kontraste“ und von t-online öffentlich. In dem Material, das der Verfassungsschutz über ihn gesammelt hat, sind viele Interviews, Zitate aus Tweets, Reden und Berichterstattung darüber. Maaßen selbst hat die Liste öffentlich gemacht, t-online hat sie ausschnittsweise dokumentiert.

Maaßen selbst sieht „keinerlei substantiierte Belege“ darin, die eine Beobachtung rechtfertigten.

Die Verfassungsschützer sammelten bereits Material, als in der Werteunion noch umstritten und nicht absehbar war, ob es eine Werteunion-Partei geben würde. Bereits im August 2023 war bekannt geworden, dass das BfV eine sogenannte Erkenntnisanfrage zu Maaßen an die Staatsschutzabteilung des Bundeskriminalamtes (BKA) gestellt hatte.

Anlass war da nicht, was Maaßen sagt oder schreibt: Es ging um mögliche Verbindungen zu der mutmaßlichen terroristischen Vereinigung um Heinrich XIII. Prinz Reuß, die Pläne zum Sturm des Bundestags geschmiedet haben soll. Verbindungsglied ist Markus Krall, rechtslibertärer Unternehmensberater und Crash-Prophet, früher Chef der Degussa Sonne/Mond Goldhandel des inzwischen verstorbenen August von Finck. Im November 2022 wurde er dort ohne Angabe von Gründen freigestellt, in der zweiten Jahreshälfte 2023 folgte er Maaßen in die Werteunion und ist eines ihrer prominenteren Gesichter.

In der nun angeklagten Gruppe wurde er den Ermittlungen zufolge als möglicher Finanzminister gehandelt. Er soll für Heinrich XIII. Prinz Reuß, Jahre bevor dessen Vereinigung aufflog, eine mögliche neue Verfassung erarbeitet haben und Reuß geschrieben haben, die „Zeit der großen Wende“ sei nah. Krall erklärte später, von Umsturzplänen habe er nichts gewusst. Als bei ihm durchsucht wurde, war er auch nicht Beschuldigter: Er wurde als möglicher Zeuge geführt.

Bei der Durchsuchung fand sich auf seinem Handy eine Nachricht von Maaßen, die eine Lawine ins Rollen brachte: „Wir müssen weiter kämpfen“, schrieb Maaßen darin, wie der „Spiegel“ enthüllte. Krall habe zugestimmt und ergänzt, die Zeit dränge, denn „diese Irren“ führten das Land „auf geradem Wege in den Atomkrieg“.

Maaßens Schuldige ist Merkel

Es folgte im Sommer 2023 die Erkenntnisabfrage des Verfassungsschutzes an das BKA. Dort sah man offenbar „hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ – die Voraussetzung für die Sammlung und Auswertung von Informationen. Im Bundesverfassungsschutzgesetz heißt es, dass die „relevante Verhaltensweise (…) explizit darauf gerichtet sein [muss], die verfassungsfeindlichen Ziele zu verwirklichen“.

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