Nvidias enttäuschende Quartalszahlen erschüttern den Tech-Markt. Im Schatten der großen Konzerne könnten jetzt jedoch kleinere Unternehmen profitieren.
Die jüngsten Quartalszahlen von Nvidia waren wirklich kein großer Spaß für Anleger. Partys in New York und San Francisco wurden ausgerichtet, um die nächsten Kursgewinne zu feiern. Doch die Erwartungen waren zu hoch und Nvidia knickte ein. KI-Gewinneraktien wie Super Micro Computer werden mittlerweile sogar von Shortsellern – also Akteuren, die auf fallende Kurse einer Aktie setzen – ins Visier genommen.
Viele Anleger dürften gar nicht so genau wissen, was Super Micro eigentlich macht und hatten bei Kursen um 1.100 Euro im März 2024 zugegriffen. Mittlerweile notiert der KI-Titel nur noch bei 370 Euro – ein Minus von etwa 65 Prozent innerhalb eines halben Jahres. Neuen Glanz erleben dagegen McDonalds, 3M oder American Express. Coca-Cola markierte zuletzt ein frisches Rekordhoch und ist mit knapp 300 Milliarden Euro so wertvoll wie nie zuvor.
Daniel Saurenz ist Finanzjournalist, Börsianer aus Leidenschaft und Gründer von Feingold Research. Mit seinem Team hat er insgesamt mehr als 150 Jahre Börsenerfahrung und bündelt Börsenpsychologie, technische Analyse, Produkt- und Marktexpertise. Bei t-online schreibt er über Investments und die Lage an den Märkten, immer unter dem Fokus des Chance-Risiko-Verhältnisses für Anleger. Sie erreichen Daniel auf seinem Portal www.feingoldresearch.de.
Lange Zeit waren die „Glorreichen Sieben“ (Alphabet, Amazon, Meta, Microsoft, Apple, Nvidia und Tesla) dank der KI-Euphorie die Treiber der Rallye. Mit der nun abgeschlossenen Berichtssaison für das zweite Quartal in den USA hat die Begeisterung zumindest einen Dämpfer erhalten.
„Zwar meldeten die sieben größten Tech-Giganten einen Gewinnanstieg von knapp 35 Prozent und übertrafen damit die Erwartungen von rund 25 Prozent deutlich“, rechnet Vanyo Walter vom Aktienbroker RoboMarkets vor.
Andererseits zeigten die gemeldeten Zahlen und vor allem die Ausblicke, dass die Monetisierung der hohen KI-Investitionen länger auf sich warten lassen wird, als bisher erwartet. „Dies passt nicht so recht zum KI-Hype, der noch vor wenigen Wochen an den Aktienmärkten zu beobachten war“, findet daher auch Franz-Georg Wenner von IndexRadar.
Mit der Kursrallye der Tech-Schwergewichte wurden viele positive Szenarien für die Umsatz-, Margen- und Gewinnentwicklung eingepreist. „Nun findet ein Anpassungsprozess statt, bei dem die „Glorreichen Sieben“ in ihre teilweise hohen Bewertungen hineinwachsen“, so Experte Walter.
Aus fundamentaler Sicht muss dies jedoch nicht zwangsläufig negativ für den Gesamtmarkt sein. So konnten im zweiten Quartal die übrigen 493 Mitglieder des S&P 500 erstmals seit längerer Zeit wieder einen Gewinnanstieg vorweisen. Mit den zuletzt deutlich gestiegenen Zinssenkungserwartungen verbessern sich die Refinanzierungsbedingungen, insbesondere für kleinere Unternehmen.
Analysten-Favoriten S&P 500 Aktien
Zudem profitieren die Firmen von der nach wie vor soliden wirtschaftlichen Entwicklung in den USA, da sie im Gegensatz zu den global aufgestellten Technologiegiganten stärker von der Binnenkonjunktur abhängig sind. „Bis Anfang 2025 zeichnet sich eine Angleichung der Wachstumsraten bei den Gewinnen der ‚Glorreichen Sieben‘ und der übrigen 493 Unternehmen des S& P 500 ab“, so Stefan Riße von Acatis.
„Soft Landing“ der US-Konjunktur
Die bislang großen Bewertungsunterschiede zwischen den Schwergewichten und den mittelgroßen Unternehmen dürften also weiter zusammenlaufen. Carsten Mumm von der Privatbank Donner & Reuschel erklärt, man gehe davon aus, dass die Arbeitslosigkeit nur langsam ansteige.
Zudem könnte der Dienstleistungssektor auch in den kommenden Monaten eine Ausweitung der Produktion signalisieren, sodass ein „soft landing“ – also eine leichte Abkühlung der US-Konjunktur – das Hauptszenario bliebe.
Dennoch gilt es, die Lage aufmerksam zu verfolgen. So preist der Markt für die kommenden Quartale weiterhin ein freundliches Umfeld für die Firmen im S&P 500 ein. Für das dritte Quartal wird nach den Daten der Börse München ein Gewinnwachstum von fünf Prozent erwartet, im vierten Quartal sollen es sogar 15 Prozent sein.
Auch für das erste und zweite Quartal 2025 sieht die Börse weiterhin hohe Gewinnzuwächse von rund 14 Prozent. Die Messlatte für positive Überraschungen liegt also recht hoch. Ob der gewöhnlich ruckelige Börsen-September die Erwartungen etwas stutzt, werden S&P 500 und Nasdaq dann zeigen.