Seit seiner Erkrankung begleiten Alexander Zverev noch immer leichte gesundheitliche Probleme. Gerüchten, er habe zu schnell wieder angefangen oder würde die medizinischen Folgen unterschätzen, tritt er aber erstmals entgegen.

Von Jannik Schneider, Turin

Alexander Zverev nervt die Diskussion rund um seine Lungenentzündung, an der er im September erkrankt ist. „Ich werde dieselbe Antwort geben, die ich jede Woche gebe. Ich meine, ihr fragt mich auch jede Woche. Es ist keine Frage von Tagen, sondern es ist eine Frage von Monaten“, erklärte Deutschlands bester Tennisspieler seit Boris Becker nach seinem ersten Match bei den ATP Finals in Turin, dem Finalturnier der besten acht Spieler des Jahres.

Am Montagabend hatte er Andrey Rublev in zwei knappen Sätzen besiegt, war anschließend für 45 Minuten auf den Centre Court zurückgekehrt, um zu trainieren. Eine Routine, die Zverev seit dem Masters-Triumph von Paris-Bercy vor zwei Wochen implementiert hat. Erst dann, kurz vor Mitternacht, betrat er die Pressekonferenz. Dort ging es im deutschsprachigen Teil umgehend um seine Lungenthematik, die in Fachkreisen mal mehr, mal weniger intensiv besprochen wird, seit Zverev im September am Rande des Lavercups in Berlin zugegeben hatte, wegen einer Lungenentzündung mit hohem Fieber in einem Krankenhaus gelandet zu sein.

Zverev sagte am Montag, er fühle sich besser, gesünder, fit auf dem Platz. „Aber ich glaube nicht, dass ich bei 100 Prozent bin. Aber das werde ich auch bis nächstes Jahr nicht mehr sein. Da könnt ihr mich auch noch zwanzigmal fragen.“ Dann ließ der Spitzensportler noch mit einem bis dato nicht publiken Detail aufhorchen. Während seines Krankenhausaufenthaltes im September in Berlin habe sich bei einem CT herausgestellt, dass damals „25 Prozent“ der Lunge nicht funktionierten.

Franz Stanzel, Chefarzt der Pneumologie, Thorakale Endoskopie, an der DGD Lungenklinik Hemer, erklärte dazu auf Anfrage von t-online: „Im Alltäglichen bedeutet bei sonst gesunder Lunge ein Fehlen von 25 Prozent keine wesentliche Einschränkung. Die Lungenreserve ist für den Alltag ohne größere Belastungen auf etwa 50 Prozent ausgelegt.(…) Bei größeren Belastungen und Spitzenbelastungen stimmt das nicht mehr. Es macht sich dann die fehlende Reserve bemerkbar. Es fehlt dann die Fläche für den Gasaustausch, auf die der Tennisprofi beim Match beispielsweise angewiesen ist.“

Muss sich man sich also Sorgen um Zverev machen? Sorgen darüber, dass der 27-Jährige die Folgen einer Lungenentzündung unterschätzt und sich dann medizinisch nicht professionell genug begleiten lässt? Dieser Eindruck konnte dieser Tage im Gesamtkontext ansatzweise entstehen, da der Weltranglistenzweite zuvor ebenfalls in Turin dem übertragenden Sender Sky ein Live-Interview gab, in dem er sagte, kürzlich eine Nachuntersuchung wegen seiner Lungenprobleme vor dem Turnier ausgelassen zu haben.

„Ich hätte eigentlich in Berlin noch mal einen Scan gehabt. Aber in Berlin hatte ich dann andere Dinge zu tun. Also war ich nicht beim Scan.“ Zverev neigt dazu, bei öffentlichen Auftritten tief in den Katakomben eines Turniers, sei es vor der schreibenden oder der TV-Presse, selbst bei Themen größerer Tragweite brutal ehrlich, teilweise flapsig zu antworten. Das unterscheidet den Deutschen von anderen Profis, die nicht immer bei der Wahrheit bleiben oder zumindest gewisse Details aussparen, damit kein falsches Narrativ entsteht.

Alexander Zverev: Er gewann gerade das Masters-Turnier in Paris. (Quelle: IMAGO/VEEREN / BESTIMAGE/imago)

Nicht immer überblickt Zverev dabei den Eindruck, der nach außen hin entstehen kann. Manchmal ist es ihm auch egal. Zverev hatte bereits während der Olympischen Spiele im August Probleme. Danach durchgeführte Blutuntersuchungen kamen zu keiner öffentlichen Diagnose. Nachdem sich die gesundheitliche Situation samt der diagnostizierten Lungenentzündung und dem Krankenhausaufenthalt zugespitzt hatte, pausierte Zverev eine Woche. Chefarzt Franz Stanzel gibt eine allgemeine Auskunft zum Thema Sportpause: „In der Regel wird eine Pause von mindestens vier bis sechs Wochen angeraten.“

Zeitgleich hält der Mediziner fest: „Diese Zeitspanne ist nicht fest, sondern hängt auch von anderen Faktoren ab. Ist der Entzündungsprozess komplett zum Stillstand gekommen? Besteht noch Fieber, auch subfebril oder Nachtschweiß? Bestehen noch Beschwerden? Insbesondere: Ist eine Einschränkung der Belastungsfähigkeit erkennbar? Sind die Laborwerte normalisiert? Die Beantwortung dieser Fragen hilft, eine Standortbestimmung zu versuchen.“ Zverev war dem Vernehmen nach im Austausch mit Ärzten, verzichtete lediglich auf die Teilnahme am Turnier in Peking. Kurz darauf startete er aber schon wieder in Shanghai, erreichte dort das Achtelfinale. In Wien dann sogar bereits wieder das Viertelfinale.

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