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Die Spermienanzahl bei Männern sinkt. Warum das nicht nur schlecht für die Zeugungsfähigkeit ist, sondern ein allgemeines Warnzeichen sein kann, erklärt ein Experte.

Die Sorge um die Fruchtbarkeit wächst – auch bei Männern. Denn Studien weisen seit Jahrzehnten auf einen weltweiten Rückgang der Spermienzahl hin. Der dänische Wissenschaftler Kristian Almstrup hatte prognostiziert, dass Männer bis 2044 völlig unfruchtbar sein könnten, wenn der Rückgang so weitergehe. In neueren Studien wird diese Entwicklung jedoch angezweifelt. Wie steht es tatsächlich um die Spermiengesundheit?

Der Experte für Männergesundheit, Christian Leiber-Caspers, erklärt im Gespräch mit t-online, wie Männer ihre Fruchtbarkeit beeinflussen und warum die „Spermienkrise“ auch ein Weckruf für die Gesamtgesundheit sein könnte.

(Quelle: Dr. Leiber-Caspers)

Dr. Christian Leiber-Caspers ist Facharzt für Urologie, Oberarzt und Sektionsleiter des Bereichs Andrologie in der Klinik für Urologie, Kinderurologie, Urogynäkologie, Andrologie im Alexianer Krankenhaus Maria-Hilf.

t-online: Herr Leiber-Caspers, sind wir wirklich in einer Spermienkrise?

Herr Leiber-Caspers: Hier muss man vorsichtig sein. Ja, es gibt klare Hinweise, dass die durchschnittliche Spermienzahl weltweit abnimmt. Aber die Studienlage ist uneinheitlich. Einige Untersuchungen zeigen eine Halbierung der Spermienzahl in den letzten 40 bis 50 Jahren, andere sehen keine Veränderung oder sogar eine Verbesserung der Beweglichkeit. Das Problem liegt oft in der Methodik: Wer waren die Spender? Wie wurden die Proben genommen? Wurden die Proben nach den gleichen Standards untersucht? Das alles beeinflusst die Ergebnisse enorm.

Warum hören wir dann immer wieder von dieser „Krise“?

Solche Thesen sind oft zugespitzt, um Aufmerksamkeit zu erregen. Forschung kostet Geld, und um Fördermittel zu bekommen, muss man das Problem dramatisieren. Das heißt aber nicht, dass der Trend ignoriert werden sollte.

Was können Männer also tun, um ihre Spermien zu schützen?

Wenn Männer mit der Sorge um ihre Spermien zu mir kommen, ist es oft schon relativ spät. Denn die entscheidenden Phasen für die Spermienkapazität, also die Anzahl und Qualität der Spermien, liegen weit vor dem Erwachsenenalter: im Mutterleib, in der frühen Kindheit und kurz vor der Pubertät. Hier entwickelt sich die Anzahl der sogenannten Sertoli-Zellen im Hoden. Sie sind entscheidend für die spätere Spermienproduktion. War diese Entwicklung gestört, kann man später nichts mehr tun, um die Anzahl der Sertoli-Zellen zu vermehren.

Was sollten Eltern bei Jungen in der frühen Kindheit und vor der Pubertät also beachten?

Zunächst sollten Mütter in der Schwangerschaft unter keinen Umständen Hormonpräparate einnehmen. Nach der Geburt sollten Eltern dann unbedingt dafür sorgen, dass ein eventueller Hodenhochstand vor dem ersten Lebensjahr entdeckt und behandelt wird. Zudem ist es in der Kindheit und Jugend wichtig, dass sich die Jungen ausreichend bewegen und gesund ernähren, damit sie nicht übergewichtig werden.

Und bei Männern lässt sich also gar nichts mehr verbessern?

Erwachsene Männer können ihre Spermienkapazität nicht erhöhen, aber sie können verhindern, dass sie weiter sinkt.

Spermien unter dem Mikroskop: Viele Faktoren beeinflußen die Qualität der Samen. (Quelle: Olaf Fuhrmann/imago-images-bilder)

Faktoren wie Rauchen, Alkohol und andere Drogen sowie Stress schaden der Fruchtbarkeit enorm. Daher sollten sie diese Risikofaktoren so gut es geht vermeiden. Und auch intensives Radfahren kann mehr schaden als nutzen. Daneben gibt es einige schädliche Umwelteinflüsse.

Zum Beispiel Hitze. Eine dauerhafte Temperaturerhöhung von nur zwei bis drei Grad kann die Spermien schädigen. Der Klimawandel könnte also in den nächsten Jahren auch für die Spermienqualität dramatische Folgen haben. Mikroplastik und Weichmacher aus Plastik stehen ebenfalls im Verdacht, negativ zu wirken. Allerdings wurde das bisher hauptsächlich im Tiermodell nachgewiesen.

Viele Männer greifen zu teuren Nahrungsergänzungsmitteln. Bringt das etwas?

Wahrscheinlich nicht. Es gibt keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass solche Mittel die Spermienqualität wirklich verbessern.

Welche Tipps geben Sie Männern, die in Ihre Praxis kommen?

Die Fruchtbarkeit von Männern hängt eng mit ihrer allgemeinen Gesundheit zusammen. Daher sind hier vier Dinge entscheidend: Erstens, schädliches Bauchfett loswerden. Zweitens, Gifte wie Nikotin und Alkohol vermeiden. Drittens, die Hoden regelmäßig abtasten. Veränderungen können frühzeitig erkannt und behandelt werden. Ein gutes Beispiel ist die Varikozele – eine Krampfader, die die Spermienqualität verschlechtern kann, aber behandelbar ist. Und viertens, ein schlechtes Spermiogramm als Warnsignal sehen.

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