Die deutschen Nachrichtendienste konnten sich lange auf die USA verlassen. Das steht nun infrage, dafür erhalten sie mehr Geld. Wie steht es also um die Zukunft der deutschen Spionageabwehr?
Wenn in Deutschland in den vergangenen Jahren ein Anschlag erfolgreich vereitelt wurde, hieß es nicht selten, dass man Informationen von ausländischen Nachrichtendiensten erhalten habe, die die deutschen Kollegen gewarnt hätten. Oftmals kamen diese Erkenntnisse aus den USA, deren Geheimdienste weltweit operieren und für die westliche Welt stets eine Art Grundsicherung waren.
Doch diese Verlässlichkeit bröckelt durch den aktuellen Kurs der neuen Regierung von Donald Trump. Alte Bündnisse scheinen plötzlich weniger verlässlich zu sein, es gibt Sorge um die Zukunft der Nato, und auch die Zusammenarbeit der Geheimdienste scheint plötzlich nicht mehr für die Zukunft nicht mehr gesichert zu sein.
In diesen Zeiten haben die Grünen in Verhandlungen mit der Union und der SPD nun erreicht, dass auch Ausgaben für die deutschen Nachrichtendienste größtenteils von der Schuldenbremse ausgenommen werden – ebenso wie Investitionen in die Bundeswehr, die Cybersicherheit, den Zivilschutz und Militärhilfe für die Ukraine. Das Geld können die Nachrichtendienste gut gebrauchen, denn in den kommenden Jahren stehen zahlreiche Herausforderungen an – von deutlich mehr zusätzlichem Personal bis hin zu Satelliten.
Allerdings wird es in Deutschland auch mit neuen Investitionen keinesfalls Geheimdienste nach US-amerikanischem Vorbild geben. Der Jurist und Nachrichtendienstexperte Markus Ogorek verdeutlicht: „Die deutschen Nachrichtendienste haben nicht ansatzweise die finanziellen Mittel und technischen Kapazitäten, um mitzuhalten.“ Denn es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen den Diensten in den USA und Deutschland, erklärt Ogorek: „Wir haben Nachrichtendienste und keine Geheimdienste.“ Das bedeutet, der Bundesnachrichtendienst (BND) kann zwar feststellen, wenn beispielsweise ein Schiff mit militärischen Gütern in Richtung Iran unterwegs ist, aber nicht aktiv eingreifen und Maßnahmen gegen das Schiff einleiten.
Prof. Dr. Markus Ogorek ist Rechtswissenschaftler an der Universität zu Köln. Er ist dort Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre, wo die Forschungsstelle Nachrichtendienste angesiedelt ist. Sein Schwerpunkt ist das Nachrichtendienstrecht.
Ähnliche Einschränkungen wie für den Auslandsnachrichtendienst BND gelten auch für die anderen deutschen Nachrichtendienste, den Bundesverfassungsschutz, den Inlandsnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst (MAD), der für die Bundeswehr zuständig ist.
Die Regelungen schränken die Nachrichtendienste ein. BND-Präsident Bruno Kahl forderte deshalb zuletzt immer wieder die Berechtigung für Hackbacks bei der Cyberabwehr, also schädliche Software auf feindlichen Systemen zu installieren. Bisher darf Deutschland lediglich Cyberangriffe abwehren. Auch die internationale Zusammenarbeit und die Kommunikation mit der Bundeswehr sei erschwert, erklärt Ogorek. Die gesetzliche Grundlage für die MAD-Arbeit stammt zudem aus dem Jahr 2004 und ist nicht heutigen Herausforderungen angepasst.
Problematisch ist laut Ogorek zudem die hohe Kontrolldichte für die deutschen Nachrichtendienste. Zwar sei die Kontrolle wichtig und vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben, in ihrer jetzigen Form binde sie aber zu viele personelle Ressourcen und schränke die Reaktionsfähigkeit ein. „Wir brauchen eine Neujustierung der Kontrolle.“ So heißt es innerhalb der Dienste oftmals spöttisch: „Wir sind die am besten kontrollierten Nachrichtendienste der Welt.“ Neben dem Bundesverfassungsschutz gibt es 16 Landesverfassungsämter, die jeweils einer eigenen Kontrolle unterstehen und teils ähnliche Sachverhalte untersuchen, wie das übergeordnete Bundesamt.
Im juristischen Bereich sieht auch Konstantin von Notz Nachholbedarf. Der Grünen-Abgeordnete und Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Nachrichtendienste sagt t-online, die Geheimdienste bräuchten „Rechtsgrundlagen, die ihnen die notwendige Sicherheit für ihre tägliche Arbeit bieten“. Dazu zähle eine stärkere Einbeziehung von Wissenschaft, Forschung und Know-how der Zivilgesellschaft.
Auch Experte Ogorek befürwortet die Ausweitung des Schuldenpakets auf die Geheimdienste. „Das ist ein begrüßenswerter und konsequenter Schritt. Es wäre insbesondere kaum nachvollziehbar gewesen, wenn der BND von den Sonderausgaben für die Verteidigung ausgenommen worden wäre, obwohl er als Deutschlands militärischer Nachrichtendienst wertvolle Informationen für die Bundeswehr liefert.“