Das Weltgeschehen verfolgen, ohne zu verzweifeln: Das scheint immer schwieriger zu werden. Was kann dabei helfen? Ein Psychotherapeut gibt Tipps.
Der Krieg in der Ukraine tobt nun schon seit über drei Jahren, US-Präsident Donald Trump verunsichert die Weltgemeinschaft und der Klimawandel führt zu schleichenden, schwer einzuschätzenden Umweltveränderungen. Tag für Tag Schreckensmeldungen zu lesen, kann die Psyche belasten und sogar krank machen. Um das zu verhindern, ist ein bewussterer Nachrichtenkonsum wichtig, sagt der Psychotherapeut Fabian Chmielewski. Im Interview mit t-online erklärt er, wie ein gesunder Umgang mit Krisenstimmung und Zukunftsängsten aussehen kann.
t-online: Die Nachrichtenlage mit all den Krisen in der Welt ist für viele bedrückend bis alarmierend, und zwar seit Jahren. Merken Sie das als Psychotherapeut auch in Ihrer Praxis?
Fabian Chmielewski: Ja, das ist eine auffällige Entwicklung. Gerade der Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat viele Menschen stark belastet. Einer meiner Patienten kämpfte mit der Angst, der Krieg könnte sich bis hin zu einem Dritten Weltkrieg ausweiten. Aber schon während der Corona-Pandemie haben Patienten mehr Themen reingebracht, die mit der Nachrichtenlage zusammenhingen: Angst vor einer Ansteckung, existenzielle Ängste, Unsicherheiten mit Impfentscheidungen.
Mit den Auswirkungen globaler Krisen auf die psychische Gesundheit haben Sie sich intensiv beschäftigt: 2023 ist Ihr Fachbuch zu dem Thema erschienen. Darin schreiben Sie, dass es eine wichtige Chance bieten kann, den aktuellen Themen Raum zu geben. Welche denn?
Zum Beispiel die Chance, die eigenen Prioritäten neu zu ordnen. Solche globalen Krisen können dazu führen, dass Menschen wieder die Werte für sich entdecken, die ihnen wirklich wichtig sind. Vielleicht merke ich im Angesicht einer Krise, dass beruflicher Erfolg mir doch nicht so viel bedeutet wie die Zeit, die ich mit meiner Familie verbringe. So bedrückend die Nachrichtenlage war und ist: Sie kann auch zu einer Neuausrichtung anregen, die die eigene Entwicklung fördert. Was ist mir wichtig im Leben? Wofür möchte ich mich engagieren?
Viele sind dazu aber nicht in der Lage. Sie fühlen sich überfordert und haben vor allem Angst.
Ja, bei meinen Patientinnen und Patienten erlebe ich eine ganze Bandbreite an Emotionen. Angst und Zukunftssorgen sind besonders präsent, sei es in Bezug auf die Klimakrise oder den Krieg in der Ukraine. Ein Patient etwa grübelte ständig darüber nach, wie sich die Klimakrise auf seine Kinder auswirken wird und was er tun kann, um sie zu schützen. Eng damit verknüpft ist oft ein Gefühl der Hilflosigkeit bis hin zur Ohnmacht. Viele fragen sich: Was kann ich als Einzelner schon tun?
Dr. Fabian Chmielewski ist Psychotherapeut in Hattingen. Er hat Fachartikel und ein Buch über globale Krisen in der Psychotherapie verfasst und hält als Dozent Vorträge über dieses Thema.
Wie sieht ein gesunder Umgang mit solchen Gefühlen aus?
Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf Krisennachrichten. Psychologisch lassen sich drei typische Reaktionsweisen unterscheiden, nämlich Fight, Flight und Freeze, also der Kampfmodus, die Flucht beziehungsweise Vermeidung und das Erstarren. Manche stürzen sich mit viel Energie ins Engagement und können Gefahr laufen, dabei auszubrennen – denken wir an Klimaaktivsten. Andere fühlen sich völlig überwältigt und hilflos, während wieder andere versuchen, das Thema auszublenden. Therapeutisch ist es wichtig, zunächst zu erkennen, in welche dieser Kategorien jemand fällt, um gezielt und maßgeschneidert Unterstützung zu bieten.
Angenommen, ich verfalle in den kämpferischen Modus und engagiere mich bis zur Erschöpfung für den Klimaschutz. Wie würden Sie mir helfen?
Im ersten Schritt würde ich die positive Seite anerkennen: Der kämpferische Modus kann selbstbestimmtes Engagement für die eigenen Werte bedeuten. Extrem ausgelebt, kann er auch zur Selbstaufopferung führen. Genauso haben die anderen Strategien auch positive Seiten: Starke Emotionen können erst einmal überwältigen. Doch sie zeigen auch, dass jemand sich seinen Gefühlen nicht verschließt. Wichtig ist aber, dass diese Flut von Emotionen nicht zu einer völligen Lähmung führt.
Und auch die Vermeidung kann sinnvoll sein, da sie Pausen vom Krisenstress ermöglichen kann, wenn die Menschen sich erst mal um sich selbst kümmern. Das sollte aber nicht in einer völligen Verdrängung münden. Es geht darum, eine Balance zu finden: Engagement, ohne sich aufzureiben, bewusster Umgang mit Gefühlen und gezielte Selbstfürsorge.
Das klingt einleuchtend, könnte sich aber im Alltag als herausfordernd erweisen.
Wichtig ist, sich so konkret wie möglich zu überlegen, was man selbst ändern könnte. Ein Beispiel ist der exzessive Nachrichtenkonsum. Viele fühlen sich verpflichtet, ständig informiert zu sein. Studien zeigen aber, dass ein übermäßiger Konsum negativer Nachrichten das psychische Wohlbefinden belasten kann. Es geht also darum, informiert zu bleiben, ohne sich dauerhaft emotional zu überfordern und dabei in eine Negativspirale aus Angst und Ohnmacht zu geraten. Hier hilft es, bewusste Mediengewohnheiten zu entwickeln, den Zeitpunkt der Nachrichtenaufnahme selbst zu bestimmen, nicht endlos lang schlechte Nachrichten zu konsumieren und auch für Ablenkung zu sorgen – etwa beim Spielen mit den Kindern oder auf einer Party.