Boris Pistorius verkündet in einem Video an die Genossen, dass er auf eine Kanzlerkandidatur verzichtet. Olaf Scholz soll es machen. Nur, mit welchen Wahlkämpfern?
Das war’s. Die K-Frage in der SPD ist entschieden. Boris Pistorius kündigt in einem Video an, er habe der Partei- und Fraktionsspitze mitgeteilt, dass er nicht zur Verfügung stehe für die Kandidatur um das Amt des Bundeskanzlers. „Das ist meine souveräne, meine persönliche und meine ganz eigene Entscheidung“, sagt Pistorius ohne eine Miene zu verziehen in die Kamera. Ein echter Parteisoldat eben. So sagt er es sogar selbst.
Jetzt soll es also doch Olaf Scholz machen. Ahja.
Und natürlich ist der jetzt genau der Richtige für den Job. Wer auch sonst. „Wir haben mit Olaf Scholz einen hervorragenden Bundeskanzler“, sag Pistorius brav in die Kamera. Er habe eine schon für normale Zeiten schwierig zu führende Koalition aus drei Parteien durch die vielleicht größte Krise der letzten Jahrzehnte geführt. Und spätestens ab hier fragt man sich doch: Wer soll das eigentlich noch glauben?
Das, was Pistorius da erzählt, wirkt ein wenig so, als habe jemand ChatGPT gebeten: „Schreibe einen Verzicht auf die Kanzlerkandidatur und sag glaubhaft, dass Olaf Scholz ein guter Kanzler ist. Bitte berücksichtige dabei nicht die Nachrichtenlage der vergangenen Monate oder die Tatsache, dass die Ampelkoalition unter seiner Führung gescheitert ist.“ Spätestens als Pistorius anfängt, Scholz‘ Ukraine-Unterstützung zu loben, kann man das Ganze nicht mehr ganz ernst nehmen. Bisher hat der Verteidigungsminister hier eine offensivere Haltung eingenommen als Scholz. Also, wo steht der Prompter?
Bis gerade fand in der Partei noch eine flammende Debatte über die K-Frage statt. In Teilen der Fraktion und an der Basis wurden die Zweifel an Scholz lauter. Immer mehr Sozialdemokraten sprachen sich öffentlich dafür aus, dass Boris Pistorius der bessere Kandidat gewesen wäre. Gar nicht so unverständlich, wenn man bedenkt, dass einer von beiden der beliebteste und der andere der unbeliebteste Politiker im Land ist. Und das nicht erst seit gestern.
Trotzdem ist die Sache schwierig. Weil, wie hätte das ausgesehen? Die SPD stellt den Kanzler, aber der Kanzlerkandidat ist ein anderer? Eine schwierige Konstellation. Also hielt man in der Partei- und Fraktionsspitze an Olaf Scholz fest. Über Tage ließ man es in der Partei „grummeln“. So nannte Rolf Mützenich das, was in der SPD zuletzt ins Rutschen gekommen. Jetzt soll das Video von Pistorius dem ein Ende setzen. Jetzt sind wieder alle für Olaf. Ernsthaft?
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz dürfte sich die Hände reiben. Wenn vorher nicht klar war, wie schwer der Wahlkampf für die SPD wird, dann jetzt. Geht das so weiter, haben die Genossen keine Chance mehr, den Rückstand zur Union noch einmal im Ansatz aufzuholen. Zur Erinnerung: Die Ampelkoalition bricht auseinander, Scholz wird die Vertrauensfrage gewissermaßen von den Fraktionsvorsitzenden aus der Hand genommen, die Umfragen sind miserabel und in Fraktion und Partei beginnt man lautstark an Scholz Eignung für eine zweite Kanzlerkandidatur zu zweifeln. Wie soll denn der Kanzler da jetzt wieder rauskommen?
Womöglich hat man in der Parteispitze geglaubt, mit dem Ampelbruch könne ein Momentum entstehen. Man könne dadurch die eigenen Truppen mobilisieren, der Rückhalt für den Kanzler würde vielleicht sogar stärker. Ein ziemlicher Poker, bei dem man das Timing komplett vermasselt hat. Stattdessen wurde Scholz über Tage in der Öffentlichkeit von den eigenen Leuten düpiert. Die sollen doch eigentlich Wahlkampf für ihn machen. Wer soll einen Mann wählen, von dem man selbst nicht glaubt, dass er ein guter Kandidat ist?
Scholz erzählt seit Monaten gerne die Geschichte von der vergangenen Bundestagswahl. Dass er da auf den letzten Metern aufgeholt habe. Erst ganz kurz vorm Ziel habe die SPD da vorne gelegen, so betont er gerne. Und es stimmt, das, was dem Kanzler und seiner Partei 2021 gelungen ist, war wirklich bemerkenswert. Der Unterschied: Während damals die SPD geschlossen hinter ihrem Kandidaten stand, herrschte in der Union immer wiederkehrender Streit. Jetzt scheinen die Rollen vertauscht. Wer sich erinnert, wie die Wahl für Armin Laschet ausgegangen ist, weiß, dass die SPD nun dringend etwas ändern muss, wenn sie das Ruder noch einmal herumdrehen will. Wenn es nicht schon zu spät ist.