So laufen die Scheinprozesse ab

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In Irans Gefängnissen werden Zehntausende Menschen gefangen gehalten. Vielen droht die Todesstrafe. Doch wie urteilt das islamische Regime?

Er war auf die Straße gegangen, um für die Freiheit der Bevölkerung im Iran zu protestieren, doch die Revolutionsgarde nahm ihn fest, steckte ihn in eine Einzelzelle und folterte ihn. “Ich sagte, ich bin nicht schuldig”, sagt Majid Kazemi. Das islamische Regime wirft ihm und zwei weiteren Protestierenden vor, zwei Basidsch, also Mitglieder der Freiwilligen-Miliz, die der Revolutionsgarde unterstehen, und einen Polizisten getötet zu haben. Beweise gibt es dafür keine, dennoch wurde er zu Tode verurteilt.

So wie Kazemi erging es seit Beginn der Proteste gegen das islamische Regime 2022 vielen Menschen. Mindestens vier Protestierende wurden bislang hingerichtet, Dutzende weitere wurden nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zum Tode verurteilt – in Scheinprozessen des islamischen Regimes.

Doch wie arbeiten die Gerichte der Islamischen Republik im Iran? t-online gibt einen Überblick.

Wie laufen die Prozesse ab?

Die Scheinprozesse finden in der Regel statt, nachdem die Angeklagten in einer Einzelzelle und unter körperlicher Folter zu Geständnissen gezwungen wurden. Obwohl die Scheinprozesse häufig im Staatsfernsehen übertragen werden, haben Angehörige oder unabhängige Beobachter keinen Zugang zum Gerichtssaal. Für die Ausstrahlung im Propagandafernsehen des Regimes laufen die Scheinprozesse dann nach genauem Plan ab: “Die Prozesse werden teilweise geskriptet”, sagt Gilda Sahebi, Politikwissenschaftlerin und Iran-Expertin, t-online. “Und wenn einer sagt, er will etwas nicht sagen, dann machen sie so lange weiter, bis er zustimmt, es zu sagen.”

Was wird den Protestierenden vorgeworfen?

In der Regel wird den Protestierenden “Krieg gegen Gott” oder “Verdorbenheit auf Erden” vorgeworfen, Vorwürfe, die sich auf die Islam-Auslegung der Islamischen Republik stützen. Nach dem Gesetz des islamischen Regimes stehen darauf die Todesstrafe oder zumindest langjährige Haftstrafen. Als Begründung, um seine Propaganda im Westen zu stützen, nennt das Regime häufig die angebliche Ermordung eines oder gar mehrerer Basidsch.

Sind Beweise oder Zeugen vor Gericht zugelassen?

Das Regime lässt in der Regel keine Zeugen zu. Beweise, die den Vorwurf gegen die Angeklagten stützen, gibt es oft nicht. Das Regime überlege sich einfach ein Szenario und ziehe dieses in seiner Anklage dann durch, erklärt Iran-Expertin Sahebi. Teilweise habe man in den letzten Monaten angebliche Passanten in den Zeugenstand berufen, die die vermeintliche Schuld des Angeklagten beweisen sollten. “Aber das sind keine Zeugen, sondern das waren Kleriker oder Basidsch-Milizen”, sagt Sahebi.

Haben die Gefangenen Anwälte?

Richter oder Revolutionsgarde: Wer spricht die Urteile?

Die Urteile werden offiziell von Richtern in den Gerichten gesprochen und von einem vermeintlich Obersten Gericht überprüft. Einer der bekanntesten Richter, der auch als “Richter des Todes” bekannt ist, ist Abolghassem Salavati. “Von dem weiß man nicht mal, ob er Jurist ist. Es ist nicht klar, ob er jemals eine juristische Ausbildung gemacht hat”, sagt Sahebi ein. Ähnlich sei es bei den anderen Richtern.

Inoffiziell werden die Richter vom Geheimdienst der Revolutionsgarde befehligt. Die Revolutionsgarde untersteht dem geistlichen Oberhaupt der Islamischen Republik, Ali Khamenei. Sie gäben den Richtern Anweisungen zu den Gefangenen, erklärt Sahebi.

Abolghassem Salavati: Er ist als “der Richter des Todes” bekannt. (Quelle: REUTERS/Raheb Homavandi )

Bekommen alle Gefangenen einen Prozess?

Nein, es ist anzunehmen, dass nicht alle Gefangenen einen Prozess, geschweige denn einen Scheinprozess, erhalten. Einige Personen sind für die Propaganda des Regimes irrelevant. “Die verschwinden einfach. Also von denen weiß man nicht, was mit ihnen passiert, auch die Angehörigen nicht”, sagt Sahebi. Manche hätten auch eine Erkrankung oder würden durch die Folter und Misshandlung der Regimekräfte körperlich so geschwächt, dass sie im Gefängnis sterben.

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