Russische Influencer wegen Mariupol-Fotos kritisiert

0
86

Fotos von russischen Influencern vor Kriegsruinen kommen bei deren Followern wohl nicht gut an. Ein Journalist beklagt den Extrem-Tourismus.

Russische Influencer haben offenbar die besetzte Stadt Mariupol als Kulisse für ihre Kampagnen entdeckt. Sie posieren vor zerschossenen Häuserwänden und Kriegsruinen, setzen sich – und bisweilen auch ihre Produkte – in Szene. Die Moskauern Influencerin Kate Snap zum Beispiel reiste in die ukrainische Stadt und nutzte die Tristesse der Zerstörung als Hintergrund ihrer Inszenierung. Geld verdient sie mit dem Verkauf von Schmuck, der aus Stahl gefertigt ist und auf Instagram oft in morbiden und schwarz-grauen Bildern präsentiert wird.

Bei einer Reise nach Mariupol mit Freiwilligen habe sie die Stadt mit eigenen Augen sehen wollen, schrieb sie auf Telegram. Sie gilt nicht als Kriegstreiberin, zeigt sich bisweilen sogar kritisch. Doch offenbar kam die Kulisse nicht so gut an. Der Blogger Lew Lewtschenko kritisierte Fotos und Videos, wie sie Snap und auch andere Blogger und TikToker ins Netz stellen. “Snap ästhetisiert, ohne sich dessen besonders bewusst zu sein, den Krieg und bombardierte gezielt Mariupol, als sei eine Reise dorthin so etwas wie ein Extremurlaub”, schreibt der Journalist.

Modisch gekleidet vor zerstörtem Wohnhaus

Die Moskauerin ist nur eine von mehreren russischen Social-Media-Sternchen, die im Kriegsgebiet unterwegs sind. Auch die Musikerin Valentina Korobeynikova, oft mit Gitarre auf TikTok unterwegs, lehnt sich auf Instagram an eine Mauer in Mariupol, im Hintergrund ein zur Ruine bombardiertes mehrstöckiges Wohnhaus. Die Influencerin Sofia Makeeva posierte ebenfalls vor einem zerstörten Haus in Mariupol: Der grauen Szene setzte sie geschickt einen blauen Pullover, eine fliederfarbene Jacke und beige Schuhe entgegen. “Ich will diese Fotos nicht sehen. Glauben Sie nicht, dass Menschen in diesen Ruinen leben. Aber das Leben geht weiter. Sogar dort.”, beschreibt sie im russischen Netzwerk vk.com ihre Eindrücke.

Mariupol war lange Zeit umkämpft gewesen. Ende Mai 2022 gelang es russischen Truppen, die Stadt nach teilweise heftigen Raketenangriffen und Häuserkämpfen einzunehmen. Sie galt, auch wegen des von ukrainischen Kämpfern lange gehaltene Asowstal-Stahlwerks, als Symbol des ukrainischen Widerstands.

Offenbar sahen die Fotos aus dem Krieg nicht alle Kunden und Follower als so unschuldig an. Lewtschenko berichtet von einem Shitstorm, der zum Beispiel über Snap hinwegfegte. Sie löschte die Bilder auf Instagram, nicht aber auf ihrem in Russland populären Telegram-Kanal. “Ein sehr beängstigender Ort. Die Einheimischen sagen, dass alles vermint ist”, schreibt sie unter Fotos von Straßen-Barrikaden und zerstörten Brücken. Auch auf Twitter gab es Kritik, ein Nutzer beschrieb die Reise von Snap als Tourismus. “Sie schrieb selbst, dass sie herkam, um Bilder zu machen” kommentierte @uvkun.

Journalist Lewtschenko sieht darin weniger eine Berichterstattung als eine gezielte Nutzung. “An sich ist die Romantisierung der Ruine nichts Neues: Sie ist seit zweihundert Jahren Tradition. Aber es ist eine Sache, um die Ruine einer mittelalterlichen Burg herumzulaufen, und eine andere, vor der Kulisse von Häusern zu posieren, wo es noch vor einem Jahr ein friedliches Leben gab.”

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein