“600 Soldaten getötet”
Moskau meldet “Vergeltungsangriff” auf Kaserne in Kramatorsk
08.01.2023, 15:29 Uhr
Nur kurz nach Ablauf der von Moskau ausgerufenen Feuerpause wird die Ukraine von Attacken überzogen. Bei einem Luftangriff auf zwei Kasernen sollen dem russischen Verteidigungsministerium zufolge mehrere Hundert ukrainische Soldaten getötet worden sein. Der Kreml spricht von einem Racheakt für die Silvesternacht.
Die von Russland verkündete Waffenruhe zum orthodoxen Weihnachtsfest hat sich als weitgehend wirkungslos erwiesen. In den umkämpften ukrainischen Regionen wurde keine nennenswerte Beruhigung der Kämpfe verzeichnet. Das russische Verteidigungsministerium erklärte nun, bei Angriffen auf zwei Kasernen im ostukrainischen Kramatorsk seien “mehr als 600 ukrainische Soldaten getötet” worden. Es handele sich um “Vergeltung” für den Tod von 89 russischen Soldaten in der Silvesternacht.
Nach dem ukrainischen Raketenangriff auf eine Behelfskaserne in der ostukrainischen Stadt Makijiwka hatte Moskau den Tod von 89 Soldaten eingeräumt. In Russland sorgte der Fall für Kritik an der eigenen Führung. “Nach Mitternacht hat der Feind sieben Raketenangriffe auf Kramatorsk und zwei auf Kostjantyniwka gestartet”, sagte der Gouverneur von Donezk, Pawlo Kirilenko. AFP-Journalisten in Kramatorsk hörten vor Mitternacht mindestens vier Explosionen.
Russland beschoss darüber hinaus nach ukrainischen Angaben in der Nacht mehrere Städte im Land. Betroffen war unter anderem ein Stadtviertel von Cherson. “Für die Attacke haben sie Brandmunition verwendet”, teilte der Militärgouverneur der Region, Jaroslaw Januschewitsch, in seinem Telegram-Kanal mit. Die Genfer Konvention verbietet den Einsatz von Brandmunition gegen zivile Objekte.
Kiew: Moskau flog auch Luftangriffe während Feuerpause
Um Mitternacht (Ortszeit) war eine einseitig von Kremlchef Wladimir Putin verhängte Feuerpause ausgelaufen, die aber Russland selbst nicht eingehalten hatte. Laut Januschewitsch endete die Attacke in Cherson ohne Tote und Verletzte. Aus anderen Regionen hingegen wurden zwei Tote gemeldet, teilte der Vizechef des ukrainischen Präsidialamts, Kyrylo Timoschenko, mit. Ein Mensch starb demnach in der östlichen Region Donezk, ein weiterer in der nordöstlichen Region Charkiw. Insgesamt neun Menschen wurden demnach in den beiden Region sowie in der südlichen Region Cherson verletzt.
Das ukrainische Verteidigungsministerium teilte in einer separaten Meldung mit, Russland habe trotz der “sogenannten Waffenruhe” am Samstag “neun Raketen- und drei Luftangriffe geflogen und 40 Angriffe aus Mehrfachraketenwerfern abgefeuert”. Dabei sei vor allem die zivile Infrastruktur getroffen worden.
Heute meldete außerdem der ukrainische Energieversorger DTEK, dass in der orthodoxen Weihnachtsnacht vom 6. auf den 7. Januar ein Wärmekraftwerk beschossen worden sei. Der Schaden sei aber schnell behoben worden.
Weihnachtsmesse im Schutzkeller statt in der Kirche
Im Osten des Landes sei die Lage weiter “schwierig”, “in einigen Regionen” rückten die russischen Truppen vor, sagte die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Ganna Maliar. “Sehr schwierig” sei die Situation in der Stadt Soledar in der Nähe von Bachmut, wo AFP-Journalisten bereits nach dem Inkrafttreten der einseitigen russischen Waffenruhe am Freitag heftige Artilleriegefechte registriert hatten. Den gesamten Samstagvormittag war die ostukrainische Stadt Tschassiw Jar heftigem Artilleriebeschuss ausgesetzt. Die wenigen noch verbliebenen Bewohner zogen es deshalb vor, die Weihnachtsmesse statt in der Kirche in einem Schutzkeller zu feiern.
Kiew warf Russland vor, sich nicht an die Waffenruhe gehalten zu haben. Die Welt sei Zeuge geworden, wie “verlogen” die Bekundungen der russischen Führung seien, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Samstagabend in einer Videobotschaft. “Sie haben von einer angeblichen Waffenruhe gesprochen (…), aber in Wirklichkeit haben russische Granaten weiterhin Bachmut und andere ukrainische Stellungen getroffen.” Moskau erklärte hingegen, die russischen Streitkräfte seien gezwungen gewesen, auf anhaltenden ukrainischen Artilleriebeschuss und Angriffe auf ihre Stellungen zu reagieren.
Sowohl die orthodoxen Christen in der Ukraine als auch in Russland feiern Weihnachten erst am 7. Januar. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte für das Weihnachtsfest eine einseitige 36-stündige Waffenruhe ab Freitag angeordnet. Kiew hatte von vornherein bezweifelt, dass es Russland mit der Waffenruhe ernst meinte.