Wehrdienst-Streit

„Fahrlässig“, „Gröbaz“ – Heftige Kritik an Pistorius


04.11.2025 – 15:43 UhrLesedauer: 6 Min.

Muss gerade einiges an Kritik aushalten: Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius. (Quelle: IMAGO/dts Nachrichtenagentur/imago)

Sein Wehrdienstgesetz hängt in der Luft, eine Einigung zeichnet sich weiter nicht ab: Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist noch immer auf Konfrontationskurs mit den Fraktionen von Union und SPD. Was läuft da ab?

Im Streit über die Wehrpflicht brodelt es weiter in der Koalition von Union und SPD. Wie blank die Nerven liegen, ließ sich an einem Statement des verteidigungspolitischen Sprechers der Unionsfraktion, Thomas Erndl (CSU), am Montagabend ablesen.

„Wir brauchen keine Symboldebatten zur Musterung, sondern eine Armee mit Vollausstattung!“, sagte Erndl in einer Stellungnahme, die die Union breit an Pressevertreter verteilte. Es sei „fahrlässig, dauernd von einem Spannungs- und Verteidigungsfall zu reden“ und wen man dafür einziehen müsste, wenn „null Material“ für einen Aufwuchs vorhanden sei, polterte Erndl weiter.

Was dem CSU-Mann dem Vernehmen nach sauer aufstieß: Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zeigt im Streit über die Wehrpflicht bisher wenig Kompromissbereitschaft. Pistorius bleibe in zentralen Fragen seines „Wehrdienstmodernierungsgesetzes“ hart. So sieht man es zumindest in der Union.

Damit scheint die Koalition bei einem Kernprojekt der schwarz-roten Bundesregierung weiterhin auf Kollisionskurs zu sein. Der neue Wehrdienst soll eigentlich am 1. Januar 2026 starten. Er soll die Bundeswehr abschreckungsfähig machen und die eklatante Personalnot der Truppe lindern. Doch den Koalitionspartnern bleibt nicht mehr viel Zeit. Finden sie in den nächsten Wochen keine Einigung, könnte das Gesetz in diesem Jahr noch scheitern. Schaffen sie es also noch, sich zusammenzuraufen?

Der Druck, endlich eine Lösung zu finden, ist enorm. Mitte Oktober eskalierte der Streit zwischen Union und SPD öffentlich. Eine gemeinsame Pressekonferenz musste kurz vorher abgesagt werden, weil Pistorius einen Kompromiss der Koalitionsfraktionen in einer SPD-Sitzung zerpflückt hatte. Pistorius war unzufrieden damit, was die Fachpolitiker von Union und SPD aus seinem ursprünglichen Wehrdienstgesetz gemacht hatten.

Konkret schlugen die Fraktionen ein Vierstufen-Modell vor: In der ersten Stufe sollen alle Männer einen Online-Fragebogen ausfüllen müssen, in dem sie Angaben über ihre körperliche Fitness und ihr Interesse an der Bundeswehr bekunden. Falls sich nicht genügend Freiwillige melden, soll in einer zweiten Stufe per Losverfahren entschieden werden, wer zur Musterung muss. Kommen dann noch immer nicht genug Freiwillige zusammen, würde der Bundestag über die verpflichtende Einziehung junger Männer entscheiden. Auch diese „Bedarfswehrpflicht“ soll per Los bestimmt werden.

Doch das Fraktionsmodell stieß nicht nur beim zuständigen Minister auf Ablehnung. Auch in der SPD hagelte es Kritik, vor allem am vorgeschlagenen Losverfahren. In der Folge einigte man sich auf einen neuen Versuch: Die Vierergruppe aus Norbert Röttgen (CDU), Thomas Erndl (CSU), Siemtje Möller und Falko Droßmann (beide SPD) sollte den Minister künftig enger einbeziehen. Pistorius wiederum sollte den Fraktionen konkrete Änderungswünsche liefern, im Fachjargon „Formulierungshilfe“ genannt.

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