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Die FDP trifft sich in Berlin zu ihrem ersten Parteitag seit ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag. Ist nun Zeit für Selbstreflexion und Fehlersuche? Fehlanzeige.

Fünf junge Liberale ziehen an einem Seil. Erst lachen sie noch, dann spannen sich die Gesichtsmuskeln mehr und mehr an, weitere Liberale kommen hinzu und hängen sich an den Strick, doch: Das Auto am anderen Ende des Seils rührt sich kein Stück. Erst als jemand auf die Idee kommt, die Handbremse zu lösen und zwei Minuten später auch noch in den Leerlauf zu schalten, bewegt sich der Wagen.

Das muskelbetriebene Abschleppunternehmen ist eine Aktion der Jungen Liberalen (Julis), der Jugendorganisation der FDP. Vor dem Estrel-Kongresszentrum in Berlin-Neukölln, in dem der erste liberale Bundesparteitag nach der Wahlniederlage stattfindet, haben die Jungpolitiker eine ältere Mercedes-Limousine aufgebaut, Front und Motorhaube sind von einem Haufen Pappkartons bedeckt. Aus diesem Haufen wollen die Julis das Auto befreien. „Wir ziehen den Karren aus dem Dreck“, steht auf einem Transparent hinter ihnen.

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Dass das Herausziehen nur mäßig gut klappt, steht stellvertretend für den ganzen Parteitag. Die FDP behauptet, neu anzufangen, nachdem sie bei der Bundestagswahl im Januar ein Wahlergebnis von 4,3 Prozent der Stimmen erzielte, an der Fünfprozenthürde scheiterte und aus dem Bundestag flog. Doch wie genau der Neustart aussehen soll, darüber scheinen sich nur wenige wirklich Gedanken machen zu wollen. Echte Selbstkritik und Fehleranalyse fehlen.

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Junge Liberale ziehen ein Auto: Sie wollen den Karren aus Dreck ziehen, aber an die Handbremse haben sie nicht gedacht. (Quelle: Malte Bollmeier)

Dabei hätte die Partei Selbstreflexion bitter nötig: Sich aus der zweiten Liga des Politikbetriebs wieder hochzukämpfen, ist kein Selbstläufer, allein schon deshalb, weil die Liberalen nun weniger Parteienfördergelder vom Staat und weniger Aufmerksamkeit von den Medien bekommen. Zudem scheint die Enttäuschung der Wähler nicht nur ein kurzfristiger Moment der Verärgerung gewesen zu sein: Umfragen sehen die FDP derzeit bei bundesweit drei bis vier Prozent, also noch weniger als bei der verlorenen Wahl.

Noch schwerer aber wiegt, dass die FDP auch personell neu anfangen muss, denn viele ihrer Spitzenpolitiker gehen: Noch während der Ampelzeit ist der damalige Verkehrsminister Volker Wissing aus der FDP ausgetreten, weil er nicht mit der Koalition brechen wollte. Der ehemalige Bundesjustizminister Heiko Buschmann verlässt die Politik. Und Parteichef Christian Lindner, der die Partei seit 2013 wie eine One-Man-Show geführt hat, zieht sich nach der Wahlschlappe ins Private zurück, will freier Redner sein und sich um seine Familie kümmern.

Die Delegierten verabschieden Lindner entsprechend: Auf mehrere Lobesreden folgt ein kurzes Video mit einem Best-of von Lindners Reden in seiner politischen Karriere. Der Lindner der Vergangenheit dröhnt zu Popmusik durch den Saal, Kampfrede folgt auf Aufruf folgt auf Plädoyer. Danach betritt Lindner selbst die Bühne und zeigt, dass er es rhetorisch mit seinem früheren Ich immer noch aufnehmen kann.

Der ehemalige Bundesjustizminister Marco Buschmann: Zum Abschied bekommt er ein DJ-Pult. (Quelle: James Zabel/imago-images-bilder)

So sagt er, nicht nur die FDP, die im Grunde seine FDP ist, habe eine Niederlage erlitten, sondern „der Liberalismus ist weltweit in der Defensive“. Die FDP müsse ihren Wählern besser erklären, worum es gehe – und das seien nicht primär die Steuersenkungen, welche die Partei immer wieder fordert, sondern dass es um das Kernideal der Partei gehe, die Freiheit. Und darüber hinaus sollten seine Kollegen den Wählern vermitteln: „Es geht uns um dich!“ Dabei hackt sein Finger durch die Luft.

Lindner gestikuliert, macht Kunstpausen und scheint vor Kraft und Tatendrang kaum laufen zu können. Zum Ende seiner Rede wird er immer lauter, will seine Parteikollegen motivieren: „Gibt es ein edleres Motiv, als sich für die Freiheit seiner Mitmenschen einzusetzen? Nein.“ Nachdem er geendet hat, erhebt sich der gesamte Saal. Minutenlange Standing Ovations, auch nachdem Lindner sich schon wieder gesetzt hat. Auf den Bildschirmen links und rechts der Bühne leuchtet groß das Wort „Danke!“ auf. Die FDP, das wird in diesem Moment klar, ist immer noch eine Lindner-Partei.

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