Friedrich Merz wird wohl der zehnte Kanzler seit 1949. Von seinen Vorgängern kann er ablesen, was das Amt erfordert: Erfahrung, Überzeugungen, Mut zum Risiko und auch Kommunikationstalent. Hat er das?

Robert Habeck will es, Alice Weidel auch und da es diese beiden wollen, denkt Sahra Wagenknecht darüber nach, ob sie nicht ebenfalls wollen soll. Olaf Scholz gedenkt zu bleiben, was er ist, und Friedrich Merz muss es gar nicht mehr wollen, weil er es wird, sofern der Himmel nicht einstürzt.

Kanzler zu sein, muss schön sein, wenn so viele danach streben. Kanzler zu sein, ist die Hölle, so sagten es einige in ihren Memoiren nach längerer Verweildauer im Amt. Auf den Kanzler kommt es an, so lautet der Merkspruch, der sich seit einem Wahlkampf für Konrad Adenauer in den 1950er-Jahren zum Dauerbrenner entwickelt hat.

Deutschland hat in der Nachkriegsrepublik fast immer Glück gehabt mit seinen Regierungschefs. Zwei Ausreißer gab es. Der eine war Ludwig Erhard, der Vater des Wirtschaftswunders, von dem viele meinten, er müsse auch Kanzler können. Adenauers Bannfluch war: Der kann es nicht – zu weich, zu umständlich. Nach drei Jahren war es mit Erhard vorbei.

Der zweite Ausreißer ist Olaf Scholz, der es zwei Jahre lang konnte, als das Geld in Pandemie und Energiekrise beliebig vermehrbar war, und dann nicht mehr. Im Dezember vollendet Scholz sein drittes Amtsjahr. Mehr wird es nicht. Die SPD wird Boris Pistorius vorziehen.

Ein Kanzler ist gut dran, wenn er Überzeugungen besitzt, die seinem Handeln Leitlinien geben. Am besten ist es, wenn er den Mut besitzt, für seine Überzeugungen das Amt zu riskieren, wenn es hart auf hart kommt. Willy Brandts Entspannungspolitik spaltete den Bundestag, aber von den Wählern bekam er eine solide Mehrheit dafür. Die SPD schoss im Jahr 1972 auf 45,8 Prozent hoch, ihr bestes Wahlergebnis.

An Scholz und seinem Vorbild Angela Merkel lässt sich ablesen, was der nächste Kanzler unbedingt haben sollte: Kommunikationstalent – die Fähigkeit zu erklären, was er warum macht, und den Bürgern auch darzulegen, was nicht geht. Ist Friedrich Merz dazu imstande? Gut möglich, sofern er Gelassenheit bewahrt und seine lose Zunge zähmt.

Kanzler Scholz: Er nahm sich Angela Merkel zum Vorbild. (Quelle: IMAGO / ZUMA Press/imago-images-bilder)

Merkel wandte sich zu selten ans Volk

Merz hat nicht, was Robert Habeck vorweisen kann: Regierungserfahrung. Damit ist gemeint, dass ein Kandidat nach Jahren in Ämtern über Stehvermögen verfügt und Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden kann. Ein Kanzler muss ja nicht zu jedem x-beliebigen Problem seinen Senf geben. Er muss aber wissen, wann er sich einschalten sollte und auch, wann die Zeit für ein Machtwort gekommen ist.

In Krisenzeiten sind manchmal Blut-Schweiß-und-Tränen-Reden nötig. Helmut Schmidt verwehrte solche Grundsatzreden, obwohl die Erdölkrise und die RAF-Morde Anlässe boten. Als die Pandemie ausbrach, gelang es Angela Merkel immerhin zu erklären, was nötig war und was auf das Land zukam. In 16 Jahren hat sie sich eigentlich nur zweimal ans Volk gewandt, das andere Mal in der Weltfinanzkrise 2017/18. Zu wenig.

Ein Minister aus der Regierung Schröder-Fischer erzählte mir einmal, was er an dem Gerd schätzte: Der umgebe sich mit starken Ministern und vertraue ihnen. Ja, ein Kanzler sollte imstande sein, Blumen neben sich blühen zu lassen. Erzielen seine Minister Erfolge und machen gute Figur auf nationaler wie internationaler Ebene, wird es auch ihm zugeschrieben, denn die Minister sind ja seine Wahl. Sind sie aber lahm oder machen Fehler, steht er mit im Feuer.

Vorteil Regierungserfahrung: Robert Habeck in der Talkshow „Markus Lanz“. (Quelle: IMAGO/teutopress GmbH/imago)

Vertrauen gründet auf Selbstvertrauen. Überzeugungen fußen auf einer Biografie und auf Lebenserfahrung. Erfahrungen im Metier geben dem Kandidaten Kontur. Mut ist eine persönliche Eigenschaft. Gemeinsam bilden diese subjektiven Komponenten den Charakter eines Kanzlers. Es kommt auf diesen Charakter an, wenn wir sagen: Es kommt auf den Kanzler an.

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