Es klingt paradox: Kopfschmerzpillen können den gegenteiligen Effekt auslösen und die Beschwerden verstärken. Welche Mechanismen dahinterstecken und wer gefährdet ist.

Wenn es im Kopf pocht und sticht, greifen die meisten erst einmal zu Schmerzpillen. Manche übertreiben es jedoch, nehmen mehrere Tabletten auf einmal oder über einen zu langen Zeitraum hinweg ein.

Die Folgen sind fatal: Denn überdosierte Schmerzmittel machen nicht nur abhängig, sie können auch dazu führen, dass die Schmerzen noch stärker werden und gar nicht mehr verschwinden.

Wenn die Schmerzen im Kopf an mindestens 15 Tagen pro Monat über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten auftreten und die Patienten in dieser Zeit weiterhin Schmerz- oder Migränemedikamente zu sich nehmen, sprechen Mediziner von MOH (Medication Overuse Headache, übersetzt: Kopfschmerz durch Übergebrauch von Medikamenten).

MOH gilt als eigenständige, sekundäre Kopfschmerzerkrankung. Sie betrifft meist Menschen, die aufgrund häufiger Spannungskopfschmerzen oder Migräne regelmäßig Schmerzmittel zu sich nehmen. Welche Mechanismen dabei im Körper eine Rolle spielen, ist wissenschaftlich nicht ausreichend geklärt. Vermutet wird jedoch, dass sich genetische, verhaltensbedingte und psychologische Ursachen dahinter verbergen.

Unklar ist auch, ob die häufige Einnahme von Schmerzmitteln zu chronischem Kopfweh führt oder ob sich zunächst die Kopfschmerzen verschlechtern und die Patienten deshalb mehr Schmerzmittel zu sich nehmen.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) weist darauf hin, dass bestimmte Schmerzmittel häufiger im Zusammenhang mit MOH beobachtet werden als andere. Als besonders problematisch schätzen die Experten opiathaltige Produkte ein, auch wegen ihres zusätzlichen Abhängigkeitspotenzials. Ein häufigeres Auftreten von MOH wird auch bei Einnahme von Triptanen, die zur Behandlung von Migräne eingesetzt werden, beobachtet.

Als weitere Risikofaktoren für MOH gelten:

  • weibliches Geschlecht
  • niedriger Bildungs- oder sozialer Status
  • zusätzliche psychiatrische Erkrankungen wie Depression oder Angsterkrankungen
  • Rauchen
  • Einnahme von Medikamenten gegen Schlafstörungen oder Beruhigungsmitteln

Der Leidensdruck von Patienten, die unter MOH leiden, ist sehr hoch, da sie keinen Ausweg sehen, die Dauerschmerzen wieder loszuwerden. Umso wichtiger ist es, dass die Krankheit schnell erkannt und gezielt behandelt wird. Wichtig ist, dass nicht den Patienten die „Schuld“ an der Situation gegeben werde.

Denn meist liegt das Problem in einem unzureichenden Kopfschmerz- oder Migräne-Management und nicht an einem Medikamentenmissbrauch. MOH tritt in erster Linie bei ungenügender Prophylaxe von primären Kopfschmerzerkrankungen und folglich zu häufigem akutem Schmerzmittelbedarf auf, seltener dagegen bei anderen zugrunde liegenden Schmerzerkrankungen wie beispielsweise chronischen Rückenschmerzen.

Bei Verdacht auf MOH führt der Arzt zunächst einmal in einem Patientengespräch eine gründliche Anamnese durch. Sie soll helfen, die Zusammenhänge zwischen chronischen Kopfschmerzen und häufiger Medikamenteneinnahme zu klären. Anschließend erfolgt in der Regel eine neurologische Untersuchung.

Experten empfehlen, dass die Patienten einen Kopfschmerzkalender führen und diesen dem Arzt vorlegen. Denn die Art und Frequenz der Schmerzen gibt dem Arzt wichtige Hinweise für eine Diagnose. Vorlagen für Kopfschmerzkalender können Patienten auf den Internetseiten der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) herunterladen.

Wie wird MOH behandelt?

Die Behandlung des MOH besteht in der Reduktion der akuten Schmerzmittel oder dem kompletten Absetzen. Gleichzeitig empfehlen Mediziner eine geeignete Kopfschmerz-Prävention mit Medikamenten wie Topiramat, Amitriptylin, Botulinumtoxin oder einem monoklonalen Antikörper. Je nach Situation kann dies ambulant, tagesklinisch oder stationär durchgeführt werden.

Laut Experten ist die Gefahr eines Rückfalls im ersten Jahr nach dem Absetzen des auslösenden Schmerzmittels am größten – insbesondere bei Opioid-Übergebrauch. Eine engmaschige Betreuung der Betroffenen soll dieses Risiko reduzieren.

Für einen anhaltenden Erfolg sind auch Änderungen im Lebensstil wichtig. Hierzu gehören angemessene Schlaf- und Erholungszeiten, Entspannungstraining, aber auch regelmäßiger Ausdauersport und gegebenenfalls eine psychologische Betreuung.

Die Chancen, dass die Beschwerden verschwinden, stehen laut Experten nach 6 bis 12 Monaten bei etwa 50 bis 70 Prozent.

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