AfD-Chefin Alice Weidel ruft schon seit Monaten nach Neuwahlen. Jetzt erfüllt sich ihr Wunsch – doch die Partei steht vor großen Problemen. Ein Experte erklärt, warum das so ist.

Am vergangenen Mittwoch hat Donald Trump die Wahl in den USA gewonnen, wenige Stunden später zerbrach in Deutschland die Ampelkoalition. Seitdem hat sich die Restregierung gemeinsam mit der Union auf die nächsten Schritte geeinigt. In etwas mehr als drei Monaten, am 23. Februar, wird der Bundestag neu gewählt.

Die Alternative für Deutschland gehörte zu den schärfsten und lautesten Kritikern des links-liberalen Ampelbündnisses. Es sei „die schlechteste Regierung in der Geschichte der Bundesrepublik“, sagte Co-Parteichefin Weidel in einer Generaldebatte im Bundestag. Doch seit dem Koalitionsbruch ist die Parteispitze merklich stiller geworden. t-online hat den Politikwissenschaftler Steffen Kailitz gefragt, woran das liegt.

t-online: In einer ersten Umfrage nach dem Koalitionsbruch hat die AfD um 1,5 Prozentpunkte zugelegt. Warum?

Steffen Kailitz: Die Alternative für Deutschland verzeichnet schon länger einen Aufwärtstrend. Das hat nicht mit dem Bruch der Regierungskoalition begonnen, sondern mit der andauernden Regierungskrise im Vorfeld. Dieser Trend der letzten Monate setzt sich jetzt fort.

Dr. Steffen Kailitz: Politikwissenschaftler und Extremismusforscher (Quelle: Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V.)

Steffen Kailitz ist habilitierter Politikwissenschaftler und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung in Dresden. Seine Publikationen befassen sich unter anderem mit der Bedrohung demokratischer Kultur durch extremistische Parteien und Bewegungen.

Trotzdem scheint die Partei aktuell nicht so stark durchzudringen.

Die AfD war bis zuletzt sehr deutlich mit ihrer Forderung nach Neuwahlen zu hören. Jetzt liegt der Fokus jedoch klar auf der Union. Das liegt in der Natur der Sache, denn CDU und CSU sind in der Favoritenrolle, die Wahl zu gewinnen. Insofern stellen sie den direkten Gegenspieler für den amtierenden Kanzler und nehmen so viel Raum ein.

Die AfD hat schon lange Neuwahlen gefordert. Eigentlich müsste sie sich doch jetzt darüber freuen.

Eher nicht. Ich glaube, ein anderer Punkt ist für die Partei viel wichtiger, der am selben Tag passiert ist. Denn mit dem eindeutigen Wahlsieg Donald Trumps in den USA hat sich der ganze internationale Rahmen geändert. Trump ist ein radikaler Rechtspopulist, dem die Bundestagsparteien inklusive der Union kritisch bis ablehnend gegenüberstehen. Das sieht bei der AfD ganz anders aus. Die Partei ist in Deutschland isoliert, aber hätte das Potenzial, einen guten Draht zum Umfeld des amerikanischen Präsidenten aufzubauen. Das Wahlergebnis in den USA könnte für die Partei dementsprechend viel bedeutsamer sein als der Ampelbruch.

  • Alle Informationen zur Regierungskrise im Newsblog

Unter einem Präsidenten Trump könnte etwa die Unterstützung der USA für die Ukraine wegbrechen. Wenn die Europäer das kompensieren wollen, müsste Deutschland einen viel größeren finanziellen Anteil stemmen. Doch vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage und einer gewissen Kriegsmüdigkeit in der Bevölkerung könnte es für die deutsche Regierung sehr schwierig werden, die Hilfen aufrechtzuerhalten, geschweige denn aufzustocken. Die AfD bezieht klare Stellung gegen die Ukraine-Hilfen. Von diesem Konflikt könnte sie profitieren.

Sehen Sie weitere Überschneidungen von Trump zur AfD?

Die Wiederwahl von Trump ist ein Fest für die AfD. Er hat im Wahlkampf radikal rechtspopulistische Positionen zu Migration bezogen und ist mit rassistischen Äußerungen über Einwanderer aufgefallen. So wie Trump gewinnen aktuell vielerorts radikal rechte Politiker mit scharfer Migrationsrhetorik Wahlen. Sollte das in Europa nach Giorgia Meloni in Italien auch noch Marine Le Pen in Frankreich gelingen, dann haben wir eine neue Welt vor uns. In der fühlt sich die AfD wie ein Fisch im Wasser, während die anderen Parteien Probleme haben werden.



Die Wiederwahl von Trump ist ein Fest für die AfD.


Steffen Kailitz


Warum glauben Sie, dass die Neuwahlen für die AfD trotzdem ein Problem sein könnten?

Es ist für die Partei kein Pluspunkt, wenn es schnell gehen muss. In der Vergangenheit hatte die AfD immer wieder Probleme bei der Aufstellung und dem fristgerechten Einreichen ihrer Listen. Die AfD tut dann gerne so, als läge das an den „bösen Altparteien“, die ihren Wahlerfolg verhindern wollen. Natürlich gelten aber für alle Parteien die gleichen Regeln.

Trotzdem sieht es so aus, als könnte die Partei ihr Ergebnis von der vergangenen Bundestagswahl verdoppeln.

Wir haben schon bei den drei Landtagswahlen in diesem Jahr einen Einbruch des Parteiensystems erlebt. Dort konnte der als rechtsextremistisch eingestufte Landesverband in Thüringen stärkste Kraft werden – in Sachsen und Brandenburg landete die AfD an zweiter Stelle. Das ist ein Einschnitt. Wir sehen gerade, wie schwierig Koalitionsverhandlungen bei solchen Mehrheitsverhältnissen sind. Wegen der Schwäche der SPD könnte die AfD nun auch auf Bundesebene zweitstärkste Partei werden. Das ist eine gewaltige Verschiebung. Die Bundesrepublik Deutschland war lange Hort der Stabilität mit einem sehr robusten und stabilen Parteiensystem, aber das ist nun Vergangenheit.

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