Landtagswahlen in Ostdeutschland, US-Wahlen, Mini-Crash am Aktienmarkt: Anleger finden sich in unruhigen Zeiten wieder. Wie es mit Dax und Co. weitergehen könnte, erklärt ein Experte.

Es könnte ruhiger zugehen an den Börsen in diesen Wochen. Der Mini-Crash vor knapp drei Wochen, bei denen der japanische Nikkei-Index an einem Tag rund 12 Prozent an Wert einbüßte und der Dax mehr als drei, zeigen, wie nervös Investoren auf Konjunktur und Geldpolitik blicken. Und auch politisch leben wir in unsicheren Zeiten:

Ein Wahlsieg der AfD in Thüringen am kommenden Wochenende ist nicht unwahrscheinlich. In den USA kämpft Donald Trump um den Wiedereinzug ins Weiße Haus. Die Konjunktur stockt, die Inflation ist weiter da. Wie sehr beeinflusst diese Gemengelage die Börsen?

t-online hat mit dem Kapitalmarktstrategen des Kölner Vermögensverwalters Flossbach von Storch, Thomas Lehr, darüber gesprochen, was ein Wahlsieg der AfD in Ostdeutschland für den Dax bedeuten würde, wie sich deutsche Unternehmen gegen eine restriktive Handelspolitik eines Donald Trump behaupten könnten und wie eine gute Geldanlage in unsicheren Zeiten aussehen kann.

t-online: Nächstes Wochenende stehen Landtagswahlen im Osten an. Herr Lehr, wie sehr rauscht der Dax ab, wenn die AfD in Thüringen die Mehrheit holt?

Thomas Lehr: Auch wenn ich mir als politisch interessierter Bürger einen anderen Ausgang wünsche – in meiner Funktion als Kapitalmarktstratege bin ich entspannt: Die AfD ist keine Gefahr für den Dax.

Global betrachtet spielen die Landtagswahlen keine Rolle. Investoren aus den USA, in Japan sind so weit weg und haben keinen Bezug zur hiesigen Landespolitik. Ein Unterschied wäre sicherlich, wenn die AfD mit absoluter Mehrheit die Bundestagswahl gewönne. Dann würde ich die Aussage sicherlich noch einmal revidieren.

Thomas Lehr: Idealerweise haben Anleger jetzt jene Unternehmen im Depot, deren größter Freund die Inflation ist. (Quelle: Flossbach von Storch)

Thomas Lehr ist seit Anfang 2017 Kapitalmarktstratege der Flossbach von Storch AG. Zuvor arbeitete er 15 Jahre für die Credit Suisse Gruppe, war dort zunächst als Investment Consultant und Investmentstratege in Deutschland tätig und wechselte während der Finanzkrise im Jahr 2008 nach Zürich. Seine Bankausbildung absolvierte Thomas Lehr in den frühen 1990er-Jahren im deutschen Genossenschaftssektor. Dort war er anschließend viele Jahre als Vermögensberater tätig.

Wenden wir den Blick über den Atlantik. Dort geht der Wahlkampf langsam in die heiße Phase. Donald Trump will erneut ins Weiße Haus. Was wäre Ihrer Meinung nach das schlimmste Szenario?

In der Theorie wäre eine Hängepartie das Schlimmste. Doch wir können die US-Wahlen nicht isoliert betrachten.

Bei den Wahlen 2020 hatten wir die besagte Hängepartie. Und wir haben beängstigende Szenen gesehen, den Sturm auf das Kapitol. Die Aktienmärkte haben aber kaum darauf reagiert. Politische Ereignisse spielen selten eine Rolle. Auch wenn ich mich mit dieser Aussage zum Spielverderber mache: Für langfristig denkende Investoren sind die US-Wahlen kein Thema. Andere Faktoren, etwa die Inflationsentwicklung, sind wichtiger.

Sie fürchten einen US-Präsidenten Trump also nicht?

Nicht aus Investorensicht. Für den Aktienmarkt gefährlicher wäre ein sehr linker Kandidat wie Bernie Sanders. Bei Trumps Wahl 2016 war bis auf ein bisschen Nervosität am Morgen danach nichts zu spüren. Die meisten hatten damals mit deutlich kräftigeren Schwankungen gerechnet, ich auch. Weil Trump so sprunghaft ist. Doch so war das nicht.

Es ging an einem Stück 15 Monate nach oben. Bis in den Januar 2018 gab es keinen einzigen größeren Rücksetzer, nicht mal zwei oder drei Prozent.

Trump steht für eine protektionistische Handelspolitik, für hohe Strafzölle. Hat das Folgen für uns in Deutschland?

Nicht nur Trump. Joe Biden hat Trumps protektionistische Politik fortgeführt, wenngleich in moderaterem Tonfall. Insofern haben sich global operierende Unternehmen darauf eingestellt – und können darauf reagieren. Protektionismus ist kein Trump-spezifisches Problem.

Die Globalisierung wird seit Jahren rückabgewickelt. Eine sehr starke globale Vernetzung ist auch immer eine Gefahr, etwa bei Lieferengpässen, wie wir das im Zuge der Corona-Krise gesehen haben. Viele Unternehmen produzieren mittlerweile wieder lokal beziehungsweise haben ihre Abhängigkeiten von einzelnen Auslandsstandorten reduziert. Die meisten Unternehmen werden mit einem US-Präsidenten Trump umgehen können.

Trump hat aber bereits angedeutet, die US-Notenbank Fed stärker unter seine Kontrolle bringen zu wollen und den US-Dollar zu schwächen. Auch das wird Folgen für globale Firmen haben.

Das wäre so, ja. Trump weiß aber, dass es hier deutliche Wechselwirkungen gibt, die ihm letztlich schaden würden. Insofern halte ich eine Umsetzung des Plans für wenig realistisch. Grundsätzlich sind Währungsbewegungen nur dann schlimm, wenn sie schnell und heftig kommen. Wenn es langsam geht, lernen die Akteure damit umzugehen.

Donald Trump: Der Ex-Präsident will erneut ins Weiße Haus einziehen. (Quelle: Julia Nikhinson/AP/dpa/dpa-bilder)
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