Wie groß ist die Macht von Sahra Wagenknecht bei den Verhandlungen in den Ost-Bundesländern? Ein Paragraf in der Satzung zeigt, dass sie mehr zu sagen hat, als manchen lieb ist.

Landespolitik ist Aufgabe der Landesverbände der Parteien. Die Bundesparteien sollen also in den wichtigen Punkten eigentlich keinen Einfluss auf ihre Landesverbände haben. Beim Bündnis Sahra Wagenknecht ist die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, aber erheblich größer als bei den anderen Parteien.

So könnte der Bundesvorstand des BSW einfach den Landesvorstand seines Amtes entheben. Und offenbar könnte sogar der Landesverband einfach aufgelöst werden. Das ist im Vergleich zu den etablierten Parteien in dieser Form einmalig.

Und es zeigt auch, wie viel Macht Sahra Wagenknecht im neuen BSW wirklich hat. Eine Sprecherin von Wagenknecht sieht darin kein Problem.

Es ist der Paragraf 15 der Bundessatzung des BSW, der in diesen Tagen eine besondere Brisanz bekommt. Überschrieben ist er mit „Ordnungsmaßnahmen gegen Gliederungen“, und wenn man lange genug sucht, dann findet man einen solchen oder ähnlichen Paragrafen in jeder Satzung oder dem Statut jeder Partei.

Dieser Paragraf regelt, wie mit Landesverbänden oder deren Vorständen umzugehen ist, wenn sie aufmüpfig werden – nämlich mit einer Ordnungsmaßnahme. „Gliederungen“, das sind unter anderem Landesverbände. Was genau eine Ordnungsmaßnahme sein kann, steht in Ziffer zwei: „(2) Zulässige Ordnungsmaßnahmen sind die Auflösung und der Ausschluss der Gliederung sowie die Amtsenthebung des Vorstands derselben.“ Also ist hier alles denkbar. Auch die Auflösung eines Landesverbandes.

Doch wann genau ist so etwas möglich? In Absatz 1 heißt es dazu, dass nur bei „schwerwiegenden Verstößen gegen die Grundsätze der Partei“ eine Ordnungsmaßnahme gegen Gliederungen möglich sei. Und: „Als schwerwiegender Verstoß ist es zu werten, wenn die Gliederungen die Bestimmungen der Satzung beharrlich missachten, Beschlüsse übergeordneter Parteiorgane trotz wiederholter Aufforderung nicht durchführen oder in wesentlichen Fragen gegen die politische Zielsetzung der Partei handeln.“

In anderen Parteien, zum Beispiel der SPD, kann dann der Parteikonvent mit 235 Mitgliedern über Maßnahmen beraten und entscheiden. Bei den Grünen sind es die Schiedsgerichte der Partei, die letztlich den Daumen heben oder senken. Beim BSW ist es anders geregelt. Hier darf der Parteivorstand um Sahra Wagenknecht diese Entscheidung zunächst alleine fällen.

Parteivorstand hat große Macht

Zwar muss später der Parteitag noch zustimmen. Aber bis dahin gilt, dass der „Parteivorstand Ordnungsmaßnahmen gegen Gliederungen anordnen“ kann. Punkt.

Das Präsidium des Vorstandes besteht aus acht Mitgliedern (und 14 Beisitzern), inklusive Sahra Wagenknecht, der Namensgeberin und starken Frau der Partei. Die ehemaligen Linken-Mitglieder Christian Leye, Amira Mohamed Ali oder der Unternehmer Shervin Haghsheno gehören dem Vorstand an.

Interessant für Landesverbände

Mit Blick auf die möglichen Koalitionsverhandlungen in den Ost-Bundesländern ist das tatsächlich brisant. Denn Wagenknecht hatte von Anfang an das Friedensthema zum Kernthema des BSW gemacht. Das BSW werde nur in Regierungen eintreten, die sich auch auf Landesebene für Abrüstung und Frieden einsetzen. Auch wenn das zunächst erst einmal kein Länderthema ist.

Sollte dies bei den Verhandlungen in den Ländern in den Hintergrund rücken, und sich die Verhandler wie Katja Wolf und Steffen Schütz in Thüringen, Sabine Zimmermann in Sachsen und Robert Culmbach in Brandenburg auf klassische Länderthemen beschränken, droht also möglicherweise Ungemach aus Berlin.

„Das BSW hat sich eine solche Satzung gegeben, da junge Parteien immer Gefahr laufen, von Glücksrittern gekapert zu werden“, sagt eine Sprecherin der Partei dem „Tagesspiegel“. „Landesverbände können sich dann in eine Richtung bewegen, die dem Gründungsanspruch der Partei und dem, wofür sie von den Menschen gewählt wird, zuwiderläuft.“

„Sahra ist wirklich moderat und verbindend“, sagt ein Mitglied der ersten Stunde t-online. „Sie ist definitiv keine Diktatorin aus Berlin.“ Das sei dem Mitglied, das auch Einblicke in die Verhandlung hat, wichtig. Die Person hat nicht den Eindruck, dass die Satzung als Drohmittel verwendet werde.

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