Trommeln, Sirenen, Bengalos: Die VW-Angestellten gehen gegen die Sparpläne des Konzerns auf die Straße. In der Branche löst das Unruhe aus.

In Wolfsburg herrscht Krisenstimmung: Volkswagen hat die Beschäftigungsgarantie für Angestellte aufgekündigt, Werkschließungen und Entlassungen stehen im Raum. Die Belegschaft war zunächst geschockt, doch mittlerweile klingt es eher nach Verärgerung. Mit Trillerpfeifen und Bengalofeuern protestierten am Mittwoch laut IG Metall mehr als 3.000 Angestellte in Hannover gegen den Sparkurs.

„Volkswagen gehört nicht allein den Aktionärinnen und Aktionären! Volkswagen gehört auch uns. Der Belegschaft“, sagte die Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo bei der Kundgebung zum Auftakt der Tarifverhandlungen.

Die Tarifverhandlungen waren eigentlich erst für Ende Oktober angesetzt, wurden angesichts der Krise aber vorgezogen. Neben der Entgelterhöhung geht es nun auch um weitere Themen wie die Beschäftigungssicherung, Auszubildende und Leiharbeiter. Zudem bleibt die IG Metall bei ihrer Branchenforderung von sieben Prozent mehr Lohn sowie 170 Euro mehr für Auszubildende.

Bei VW sei es neben der Wirtschaftlichkeit schon immer auch um die Beschäftigungssicherung gegangen, so Cavallo. Das gehöre zur DNA von Volkswagen. Nun fahre die Chefetage „Werksschließungen als Drohkulisse auf“ und verängstige die Belegschaft mit Schlagzeilen über Massenentlassungen.

In ihrer Funktion als VW-Betriebsratschefin ist Daniela Cavallo auch an der Mitgestaltung der Unternehmensstrategie beteiligt. (Archivbild) (Quelle: Lars Penning/dpa/dpa-bilder)

Doch der Ernst, mit dem nicht nur das Unternehmen selbst, sondern auch Experten und Politik derzeit über den Zustand des Wolfsburger Konzerns sprechen, lässt befürchten, dass es sich zumindest nicht nur um eine Drohkulisse handelt. Denn während VW in den vergangenen Jahren auch magere Ergebnisse als Erfolge und Schritte in die richtige Richtung auswies, hat das Unternehmen nun umgeschwenkt: „Volkswagen produziert in Deutschland zu teuer“, so die klare Aussage.

Bisherige Kostenreduzierungen reichten nicht aus, so Konzernchef Oliver Blume Anfang September. „Meine Kollegen, VW-Chef Thomas Schäfer und Thomas Schmall, arbeiten mit ihren Teams deshalb an weiteren Maßnahmen.“ Demnach muss gespart werden; eine Maßnahme ist die Aufkündigung der Haustarifverträge, die Mitte 2025 auslaufen. Doch genau die daraus resultierende Unsicherheit treibt die Belegschaft nun auf die Straße und die Politiker an den Verhandlungstisch.

Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen Group (Archivbild): Er hat dem Konzern einen Sparkurs verordnet. (Quelle: IMAGO/Jens Schicke/imago-images-bilder)

Die Konzernseite wirbt unterdessen um Verständnis. Vor dem Beginn der Tarifverhandlungen wurden an sechs Standorten Flugblätter verteilt, in denen der Konzern die Belegschaft zu Zugeständnissen auffordert. „Volkswagen produziert in Deutschland zu teuer“ steht auf dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die Aktion fand an den Standorten Wolfsburg, Hannover, Braunschweig, Salzgitter, Emden und Kassel statt.

Dabei waren die Probleme, auf die der Konzern zusteuerte, für Branchenkenner keine Überraschung, wie etwa für die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA). „Ich bin überrascht, wer alles überrascht ist“, sagt Hildegard Müller im Gespräch mit t-online. Aus ihrer Sicht hängt die aktuelle Krise auch an einer Reihe von politischen Entscheidungen zu Bürokratie, Energiepreisen und hohen Steuern. „Wir weisen seit langer Zeit darauf hin, dass die deutsche Automobilwirtschaft absolut wettbewerbsfähig ist, der deutsche Standort aber schon lange nicht mehr“, so Müller.

Hinzu kommt starke Konkurrenz vor allem im E-Autobereich aus China. Die Hersteller dort bringen deutlich mehr Modelle zu günstigen Preisen auf den Markt. Autoexperte Ferdinand Dudenhöfer warnte daher Anfang September: „Europa gerät damit gegenüber China beim Aufbau der klimaschonenden Mobilität immer stärker ins Hintertreffen.“

Die Europäische Union wirft der chinesischen Regierung zudem Marktverzerrung durch staatliche Subventionen vor und hat zuletzt Ausgleichszölle verhängt. Eine Maßnahme, die vor allem deutsche Autobauer kritisch sehen, da sie um ihren eigenen Marktzugang in China fürchten.

Das spürt nicht nur VW. Auch andere deutsche Autobauer haben mit sinkenden Absätzen zu kämpfen. BMW und Mercedes korrigierten zuletzt ihre Gewinnerwartungen nach unten. Nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) wurden im August nur noch 27.024 Pkw mit elektrischem Antrieb zugelassen. Das waren 68,8 Prozent weniger als ein Jahr zuvor und rund 12 Prozent weniger als im Juli. Aber die Krise betrifft nicht nur E-Autos: Auch die Anzahl der Gesamtzulassungen sank um 27,8 Prozent auf 197.322 Pkw.

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