AfD-Vizechef Stephan Brandner warf einer Journalistin wiederholt vor, „Faschistin“ zu sein. 50.000 Euro soll Brandner dafür bereits zahlen, jetzt ermittelt auch die Staatsanwaltschaft gegen ihn. Was treibt ihn an?
Es ist eine Seltenheit: Stephan Brandner schweigt. Der AfD-Abgeordnete will zu dem Rechtsstreit, in dem er sich derzeit befindet, lieber keine Auskunft geben. Sein Anwalt dürfte ihm zur Zurückhaltung geraten haben – und auch der reagiert auf Anfrage von t-online nicht. Das dürfte einen guten Grund haben: Es sieht nicht gut aus für Brandner.
Brandner, der selbst Jurist ist, hat in seiner Fraktion den Ruf weg, nie den Mund zu halten. Im Bundestag kassiert er für sein Auftreten Ordnungsrufe in rauer Menge. In seiner Fraktion heißt es, Brandner und andere AfD-Abgeordnete führten Strichlisten und lieferten sich einen Wettbewerb: die Krone für den größten Pöbler im Parlament.
In der AfD ist dieses Verhalten im Gegensatz zu anderen Parteien kein Hindernis. Hier bringt es Brandner, der aus dem starken Thüringer Höcke-Verband kommt, sogar nach vorn. Seit 2019 schon ist er stellvertretender Parteichef. Im Juni wurde er auf dem Bundesparteitag in Essen mit 91 Prozent Ja- zu 9 Prozent Nein-Stimmen wiedergewählt. Eines der besten Ergebnisse, besser auch als die der beiden Parteichefs Weidel und Chrupalla.
Seit einigen Monaten aber pflegt Brandner den Gestus des unbelehrbaren Querulanten auch in einem Rechtsstreit gegen die „Spiegel“-Journalistin Ann-Katrin Müller. Obwohl ein Gericht bereits deutlich gegen ihn entschieden hat, will er sich auch hier nicht beugen.
Mit gravierenden Folgen: 50.000 Euro Ordnungsgeld soll Brandner bereits in die Staatskasse zahlen. Mitte Oktober wurde im Bundestag außerdem seine Immunität aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft Gera teilte t-online auf Nachfrage mit: Die Vorermittlungen seien abgeschlossen, am 18. Oktober habe die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Brandner eingeleitet – wegen Beleidigung und Anstiftung zur Beleidigung.
Kopfschüttelnd blicken viele von Brandners Parteikollegen auf die enorme Summe, die er zahlen müsste, unterläge er endgültig vor Gericht. Brandner habe sich „verrannt“, so drücken es viele AfD-Funktionäre unter der Hand aus. Wenig Verständnis haben sie dafür, wie das ausgerechnet einem Juristen passieren kann.
Was also ist Brandners Motivation?
Um den Streit und Brandners Haltung ansatzweise zu verstehen, muss man wissen, gegen wen Brandner ihn führt. Ann-Katrin Müller ist Journalistin und beim Magazin „Spiegel“ seit Jahren für die Berichterstattung über die AfD zuständig. Sie kennt das Parteipersonal genau, berichtet in der Regel investigativ und zerrt so immer wieder bisher unbekannte antidemokratische Umtriebe in der Partei ans Licht. Sie tritt auch in TV-Talkshows auf, bietet dort Parteiprominenz die Stirn.
Der „Spiegel“ pflegt noch dazu ein jahrzehntealtes Selbstverständnis als „Sturmgeschütz der Demokratie“. Oft thematisiert das Blatt Rechtspopulismus wie -radikalismus prominent und warnt gerade auf seinen Titelseiten, auch mit plakativen Bildern.
Viele in der AfD haben mit kritischer Presse ohnehin ein Problem, auf Müller und den „Spiegel“ aber reagieren sie besonders allergisch. So entzog im Juni AfD-Parteichef Tino Chrupalla der Journalistin nach einem Bericht über ihn die bereits erteilte Akkreditierung für den Presseempfang beim AfD-Parteitag in Essen. Der Rechtsstreit zwischen Müller und Brandner war da bereits in vollem Gange.
Drei Tweets von Stephan Brandner waren Auslöser für die nun schon Monate währende Odyssee vor den Gerichten. Im Dezember bezeichnete der Bundestagsabgeordnete in einem kurzen Tweet auf der Plattform X die Journalistin Müller zuerst als „Faschistin“, die „mal wieder durch Blödheit auffällig“ werde. Fünf Tage später nannte er sie eine „Oberfaschistin“ aus dem „Relotius-Faschistenblättchen“. Einen Tag darauf wiederum kommentierte er eine Müller-Recherche: „Na, da geht auch dieser Spiegel-Faschistin jetzt garantiert mindestens einer ab …“