Ungeliebt und doch gebraucht: Vierzig Jahre nach dem „Volkszählungsurteil“ zeigt eine Umfrage der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, wie die Deutschen zum Datenschutz stehen.

Der Datenschutz ist für viele Deutsche ein ungeliebtes Kind und muss häufig als Sündenbock für andere Versäumnisse herhalten. Seine Erfolge sind oft unsichtbar, Kosten und Bürokratie jedoch unmittelbar präsent. Konsumenten erleben etwa nervige Cookie-Banner, die jeden Tag im Browser erscheinen, für Unternehmen ist der Regelungsdschungel dagegen ein Kostenfaktor.

Deswegen ist es eine gute Nachricht, dass der Großteil der Deutschen den Datenschutz als wichtiges Thema betrachtet. Eine Umfrage, die die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit anlässlich des Jubiläums zum Datenschutzgrundrecht durchgeführt hat, zeigt aber auch: Es gibt noch viel Optimierungsbedarf.

(Quelle: imago stock&people)

Über die Gastautorin

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, geboren 1951, ist studierte Rechtswissenschaftlerin und war von 1992 bis 1996 sowie von 2009 bis 2013 Bundesministerin der Justiz. Seit 2018 ist sie stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung.

Ein wegweisendes Urteil

Effektiver Datenschutz ist keine Schikane, sondern eine grundlegende Weichenstellung des Zusammenlebens in unserer freiheitlichen Demokratie. Dies machte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einer wegweisenden Entscheidung deutlich, die sich dieses Jahr zum 40. Mal jährt. Wie nur wenig andere Urteile strahlte das am 15.12.1983 ergangene „Volkszählungsurteil“ in die politischen Entscheidungen der darauffolgenden Dekaden aus und prägt unser Verständnis von Freiheit und Sicherheit sowie Selbstbestimmung im digitalen Zeitalter bis heute.

Anlass für das Gerichtsverfahren war die Volkszählung, die im Frühling 1983 durchgeführt werden sollte. Der Fragebogen umfasste 36 Angaben zur Wohnung, den im Haushalt lebenden Personen, dem Arbeitsplatz und dem Bildungsstandard, die unter Einsatz neuer Rechentechnik ermittelt werden sollten. Die neue Technik erlaubte eine systematischere Speicherung und Verarbeitung der Daten als zuvor. Gleichzeitig sollten die erhobenen Angaben mit den Melderegistern abgeglichen werden. Bis dato nicht eintreibbare Bußgelder aus ganz anderen Verfahren sollten mittels dieser Daten erhoben werden.

Bürger haben Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Höchstpersönlichen Daten drohte damit die Freigabe an unterschiedlichste Behörden, losgelöst von dem eigentlichen statistischen Zweck – ein Verstoß gegen den im Datenschutzrecht mittlerweile wichtigen Grundsatz der Zweckbindung. Während der Großteil der Exekutivorgane das Vorhaben für unbedenklich hielt, äußerten signifikante Teile der Bevölkerung ihren Protest angesichts der geplanten Zählung.

Bürgerrechtsorganisationen, Teile der Politik und der Rechtswissenschaft übten massive Kritik. Sie hatten Erfolg, die Zählung wurde in dieser Form nicht durchgeführt. Und nicht nur das: Das BVerfG stellte in seiner Urteilsbegründung erstmals fest, dass Bürgerinnen und Bürger ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung haben. Mit anderen Worten: ein Grundrecht auf Datenschutz, das das Gericht aus den Artikeln 1 und 2 des Grundgesetzes ableitete.

Viele Deutsche haben Angst vor Datenmissbrauch

Die Umfrage der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit zeigt, dass das Thema auch vierzig Jahre später noch brandaktuell ist. Rund die Hälfte der gut 2.000 durch das Institut Insa Consulere Befragten gibt an, Angst vor Datenmissbrauch zu haben. Aus den Daten geht zudem hervor, dass den Menschen Datenschutz ein wichtiges Anliegen ist.

Besonders deutlich wird dies in den aktuellen Diskussionen um Künstliche Intelligenz (KI). Eine absolute Mehrheit der Befragten (61 Prozent) macht sich Sorgen, dass ihre Daten durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz weniger geschützt sein werden. Ausreichend informiert über den Schutz persönlicher Daten beim Einsatz von KI fühlt sich nur ein Viertel der Befragten. Dies zeigt deutlich: Datenschutzvorschriften spielen auch bei der Regulierung von KI eine wichtige Rolle.

Ein effektiver Datenschutz trägt entscheidend zur Akzeptanz neuer Technologien bei. Die Umfrageergebnisse zeigen freilich auch das zwiespältige Verhältnis der Befragten zum praktischen Umgang mit Datenschutz. Datenschutzerklärungen im Internet lesen sich über 60 Prozent der Befragten nicht durch. Etwa genauso viele stimmen immer oder häufig pauschal der Verarbeitung personenbezogener Daten zu. Obwohl über 70 Prozent der Befragten angeben, nicht zu wissen, was im Internet mit ihren Daten passiert!

Und immerhin 54 Prozent haben Angst vor einem Datenmissbrauch durch Social-Media-Unternehmen und ein knappes Viertel durch staatliche Stellen. Den Datenmissbrauch durch Kriminelle fürchten gar 75 Prozent.

Kontrolle über Daten gehört zum selbstbestimmten Leben

Über die Gründe dieser Divergenz von Anspruch und Praxis lässt sich nur spekulieren. Der Wunsch, um jeden Preis am Leben in den sozialen Netzwerken teilzunehmen, mag viele im Internet zu einem unbedarften Umgang mit den eigenen Daten verleiten. Viele Internetdienste versprechen außerdem große Erleichterungen, die mit der Freigabe persönlicher Daten bereitwillig bezahlt werden.

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