Boris Pistorius hat versprochen, die Rüstungsbeschaffung zu beschleunigen. Doch noch hakt es an vielen Stellen, der Minister wirkt zunehmend ungeduldig. Kann er seine Versprechen halten?
Boris Pistorius ist sichtlich genervt, als er nach der fehlenden Ausstattung der deutschen Litauen-Brigade gefragt wird. „Nee, das ist nicht ganz richtig“, kontert er die Frage von ZDF-Journalistin Marietta Slomka und führt aus, dass es in Wahrheit doch ganz anders sei: Dass man gerade „im großen Stil“ bei der Rüstungsindustrie einkaufe, das Tempo bei der Auftragsvergabe deutlich erhöht habe und in allen zentralen Bereichen der Beschaffung „richtig Gas“ gebe.
Der Verteidigungsminister im Selbstverteidigungsmodus. Seit Monaten segelt Pistorius als beliebtester Politiker durch die Umfragen. Er pflegt ein Macher-Image, ist beliebt bei der Truppe, gilt als bodenständig und nahbar. „Boris ist der Beste“, sagt ein altgedienter Parteikollege aus der SPD-Bundestagsfraktion. Seine Ankündigungen, den schwerfälligen Wehrapparat zu reformieren, finden auch bei der Opposition Anklang.
Doch Pistorius ist nun über ein Jahr im Amt. Der Druck steigt, nicht nur vollmundige Versprechen zu geben, sondern auch Ergebnisse zu liefern. Die Angriffe der Opposition nehmen zu, der Minister muss sich zunehmend kritischen Fragen stellen. Warum dauern die Nachbestellungen so lange? Schafft er die Wende in der Rüstungsbeschaffung? Oder wird Pistorius wie so viele seiner Vorgängerinnen und Vorgänger am Ende politisch scheitern?
Blame Game
Die Ausgangslage für Pistorius ein Jahr nach Amtsantritt ist weiterhin bescheiden. Die Bundeswehr ist blanker denn je: Trotz des 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögens ist die Truppe derzeit schlechter ausgerüstet als noch vor zwei Jahren. Der Grund sind die Waffenlieferungen an die Ukraine, die die Bestände der Truppe weiter geschröpft haben.
In dem ZDF-Interview vor gut einer Woche machte Pistorius das, worauf er schon häufiger zurückgriff, wenn er angefasst war: Er gibt anderen die Schuld. Auf die Frage nach der schleppenden Nachbestellung sagte der Minister: „Gleichzeitig gehört eben dann auch dazu, sich einzugestehen: Wir können schneller bestellen, aber der zweite Schritt ist, die Industrie muss schneller produzieren.“ Ein Giftpfeil in Richtung Rheinmetall, Hensoldt und Co.
Dass plötzlich die Hersteller die Verursacher der deutschen Beschaffungskrise sein sollen, ist ein neuer Zungenschlag in der Kommunikation des Ministers. Zwar fordert der die Unternehmen schon seit Monaten auf, ihre Produktion hochzufahren. Doch bisher zeigte er eher Verständnis für die fehlenden Kapazitäten, und sah die Hersteller mehr als Verbündete denn als Bremse.
Das scheint sich nun zu drehen. Die Geduld des Ministers neigt sich, so wirkt es jedenfalls, ihrem Ende zu. Verliert er die Nerven? Schon im vergangenen Herbst beim Skandal um die neu beschafften digitalen Funkgeräte, die mit vielen Bundeswehr-Fahrzeugen nicht kompatibel sind, reagierte Pistorius im ersten Moment wenig souverän, gab seinen Mitarbeitern die Schuld, ihn nicht informiert zu haben.
Und auch jetzt, in der Rüstungsfrage, wirkt er getrieben – so als spürte er den Erfolgsdruck, als wisse er, dass ihm die Zeit davonläuft. Denn das Zeitfenster, in dem Pistorius messbare Erfolge präsentieren kann, wird kleiner. Die Legislatur dauert noch gut anderthalb Jahre. Spätestens im Wahlkampf 2025 wird die Opposition versuchen, Pistorius‘ Bilanz zu zerlegen, jedes seiner Versprechen wird sie peinlich genau überprüfen.
Rekord bei Auftragsvergabe
Dabei hat Pistorius bei Lichte betrachtet keinen Grund, seinen Kurs zu ändern oder in Hektik zu verfallen. Gemessen an seinen Vorgängerinnen und Vorgängern kann der Minister schon jetzt etwas vorweisen: Bei den sogenannten 25-Millionen-Euro-Vorlagen (alle Rüstungsaufträge über 25 Millionen Euro müssen vom Haushaltsausschuss bewilligt werden) erzielte sein Haus im vergangenen Jahr einen historischen Rekord von 55 Vorlagen. Für das laufende Jahr will Pistorius sogar eine „dreistellige“ Zahl an Vorlagen durch den Ausschuss bringen.