Die AfD kämpft vor Gericht gegen den Verfassungsschutz – und nutzt dabei alle Mittel, um Zeit zu gewinnen. Dabei kommt es zu irrwitzigen Momenten.

Gegen Mittag reißt Rechtsanwalt Wolfgang Roth der Geduldsfaden. Er bleibt höflich, aber bestimmt im Ton: Die Art, wie hier Beweisanträge gestellt würden, „dient meines Erachtens lediglich der Prozessverschleppung“, kritisiert der Anwalt des Verfassungsschutzes.

Mehr als drei Stunden dauert das Verfahren mit dem Titel „Alternative für Deutschland gegen Bundesrepublik Deutschland“ da schon – passiert aber ist wenig. Nicht einmal die Klageanträge, üblicherweise der Start in ein Verfahren, sind verlesen.

Dabei soll es an diesem Dienstag vor dem Oberverwaltungsgericht Münster eigentlich um das Grundsätzliche gehen, um Fragen wie: Wie rechtsextrem ist die AfD? Darf der Verfassungsschutz die Gesamtpartei als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen, öffentlich so benennen und entsprechend beobachten?

Das Verwaltungsgericht Köln hatte schon 2022 entschieden: Der Verfassungsschutz darf. Die AfD ging daraufhin in Berufung. Deswegen ist nun das OVG in Münster dran – und das Interesse ist enorm. Das Verfahren wird nicht in einem Sitzungssaal geführt, sondern in der großen Eingangshalle des Gerichts. Rund 100 Medienvertreter sind akkreditiert, auch die Plätze für Besucher gut besetzt.

Eine Gruppe Jura-Studenten hat seit 7.15 Uhr vor der Tür gewartet, um Plätze zu ergattern. Ein gesellschaftspolitisch so relevantes Verfahren direkt vor der Haustür erlebe man schließlich nur selten, erklärt ein junger Mann mit Brille aus der Runde t-online.

Doch die Zeit für die grundsätzlichen, die großen Fragen ist knapp bemessen: Nur auf zwei Tage ist das Verfahren angesetzt. Und sehr lange geht es am Dienstag gar nicht um diese Fragen, nicht um die große demokratische Bedeutung. Die Anwälte der Kanzlei Höcker, die die AfD in Münster vertreten, eröffnen eine Reihe von Nebenschauplätzen, die viel Zeit fressen.

Gründlich wolle man arbeiten, betont AfD-Anwalt Christian Conrad immer wieder, die im Raum stehenden Fragen seien schließlich gewichtig. Viel eher aber drängt sich der Verdacht auf: Hier soll Zeit gewonnen werden – angesichts eines erwartbar schlechten Ausgangs des Verfahrens für die AfD.

Befangenheitsantrag gegen alle Richter

Zuerst stellt Conrad einen Antrag auf Vertagung des gesamten Verfahrens – Anfang Januar sei neues Material übermittelt worden, rund 4.200 Seiten Dokumente und 116 Stunden Videomaterial. Die Zeit habe nicht gereicht, um sich damit zu befassen. Das Argument aber ist nicht neu, die AfD hat es bereits vorab vorgetragen.

Als die Richter den Antrag ablehnen, wollen die AfD-Anwälte den gesamten Senat für befangen erklären – und anschließend die Öffentlichkeit für die Besprechung eines Sachverhalts ausschließen. Zwischenzeitlich müssen alle Besucher, inklusive der Presse, den Saal verlassen und vor der Tür im Nieselregen warten. Und immer wieder müssen die Richter die Bank und den Saal verlassen, die Treppe hochlaufen, sich besprechen, einen Beschluss fassen.

Die Entscheidung des Senats über die AfD-Anträge aber fällt immer gleich aus: abgelehnt, abgelehnt. Auch Anträge auf Befangenheit habe es bereits in den Wochen vor dem Verfahren gegeben, der Vorsitzende Richter Gerald Buck verweist darauf. „Rechtsmissbräuchlich“ sei deswegen der Versuch, den gesamten Senat als befangen zu erklären, „pauschal und ohne Nennung individueller Gründe“.

Scharfe Kommentare – und viele neue Zeugen

Lange bemühen sich die Anwälte der AfD auch, die aktuelle Einschätzung des Inlandsgeheimdienstes zur AfD in den Fokus zu stellen. Ende Februar hatte die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) nämlich berichtet, dass der Verfassungsschutz bereits seit Monaten an einem neuen Gutachten zur AfD arbeite, um sie vom Verdachtsfall, um den es hier in Münster geht, zur „gesichert rechtsextremistischen Bestrebung“ hochzustufen – und nun beinahe damit fertig sei, nur noch auf Abschluss des Verfahrens in Münster warte.

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